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SPRACHENTWICKLUNGSSTÖRUNGEN & LESE- UND RECHTSCHREIB-
SCHWIERIGKEITEN
Seminar „Methoden zur Prävention und Behandlung von Entwicklungsstörungen“
Dr. Karina Weichold
Referenten: Christiane Gentzel Karolin Gross Astrid Krüger Stefanie Luttmann
INHALTSVERZEICHNIS
1. Sprachentwicklungsstörungen1. Symptomatik2. Prävalenz3. Folgen4. Determinanten der Sprachentwicklung5. Ursachen6. Prävention
2. Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten1. Symptomatik2. Diagnostik3. Ätiologie4. Prävention
3. Zusammenfassung
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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1.1 SYMPTOMATIK
Sprech- und Sprachstörungen treten im Kindesalter als spezifische Störungsbilder oder im Zusammenhang mit psychiatrischen oder neurologischen Erkrankungen auf
F80.1 - expressive SprachstörungF80.2 - rezeptive SprachstörungSpezifische Sprachentwicklungsstörungen
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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1.1 SYMPTOMATIK
F80.1 Expressive SprachstörungEine umschriebene Entwicklungsstörung, bei der die
Fähigkeit des Kindes, die expressiv gesprochene Sprache zu gebrauchen, deutlich unterhalb des seinem Intelligenzalter angemessenen Niveaus liegt, das Sprachverständnis liegt jedoch im Normbereich. Störungen der Artikulation können vorkommen.
F80.2 Rezeptive SprachstörungEine umschriebene Entwicklungsstörung, bei der das
Sprachverständnis des Kindes unterhalb des seinem Intelligenzalter angemessenen Niveaus liegt. In praktisch allen Fällen ist auch die expressive Sprache deutlich beeinflusst, Störungen in der Wort-Laut-Produktion sind häufig.
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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1.1 SYMPTOMATIK
spezifische Sprachentwicklungsstörung sind nicht zu erklären durch:IntelligenzminderungHörstörungneurologische Erkrankung unzureichende Anregung durch das Umfeld
Nonverbale Fertigkeiten und Kommunikationsbedürfnis sind weitgehend unbeeinträchtigt
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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Alter Normative Entwicklung Auffälligkeit6.-8. Woche2.-3. Monat4.-6. Monat6.-9. Monat
10.-14. Monat
- Laute ohne Lippenbewegung - Gurrlaute und Lachen - Imitation von Vokalen - Lallen, Konsonant-Vokal-Verbindungen
(„mamamama“) mit längeren Sequenzen - Erste Wörter
- Vermindertes Lallen
1-1,5 Jahre
1,5-2 Jahre
- Einwortäußerungen (überwiegend Nomen)- 50-Wort-Grenze (18. Monate) danach
„Wortsatzspurt“- Zwei- und Dreiwortäußerungen (ohne Artikel,
Präpositionen, Fragepronomen)- Beginn der Pluralbildung
- Verspätetes Erlernen der ersten Wörter- Verzögerte Entwicklung des aktiven und passiven
Wortschatzes- Keine 50 Wörter mit 18 Monaten „late talkers“- Wird bis zum 3. Lebensjahr aufgeholt „late
bloomers“ (bei etwa 50% der betroffenen Kindern)
2-3 Jahre - Einfache zielsprachliche Sätze- Erwerb des Genus
- Verminderte Äußerungslänge- Weitgehendes Fehlen syntaktischer Strukturen
Kindergarten/Vorschule
- Komplexe Sätze (Nebensätze, Verb am Ende) - Schwierigkeiten bei der Bildung und dem Verständnis grammatikalischer Wortformen und Satzstrukturen
Schulalter - Metasprachliche Kompetenz (Reflexion über die Sprache)
- Spontansprache weitgehend fehlerfrei- Einfache und kurze Sätze, vermeiden kompliziertere
grammatische Strukturen- Probleme erst bei höheren Anforderungen- Probleme, Geschichten folgerichtig zu erzählen,
übertragene Bedeutungen und Mehrdeutigkeiten zu verstehen und sich schriftlich kohärent mitzuteilen
1.2 PRÄVALENZ
Sprachentwicklungsstörungen bei etwa 7% der Kinder
Jungen sind zwei bis drei Mal so häufig betroffen wie Mädchen (Tomblin et al., 1997)
19,8% aller monolingual Deutsch aufwachsenden Kinder stellen „Verdachtskinder“ dar (Grimm et al., 2004)
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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1.3 FOLGEN
Lesen und Rechtschreiben ist erschwertVersagen in allen schulischen BereichenVorzeitige Schulabbrüche bzw. Schulabschlüsse, die
unter dem Niveau liegen, das unter Berücksichtigung der allgemeinen Begabung des Kindes zu erwarten wären
Ausbildungsniveau und der soziale Status sind relativ niedrig
Chronische Misserfolgserlebnisse emotionale und verhaltensbezogene Auffälligkeiten
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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1.4 DETERMINANTEN DER SPRACHENTWICKLUNG Auffassungen, wie Kinder Sprache erwerben, liegen
weit auseinanderBehavioristische Spracherwerbstheorie
Sprache ist eine erlernte Fähigkeit, deren Erwerb dem Menschen aufgrund seiner allgemeinen geistigen Potenzen möglich ist
Theorie hat widersprüchliche BefundeNativistische bzw. generative
Spracherwerbstheorie (Chomsky, 1957)Spracherwerb ist ein genetisch kodiertes Programm,
das sich bei minimaler Anregung aus der Umwelt als Reifeprozess automatisch entfaltet
Annahme: Sowohl Umwelt als auch Genetik wichtig!
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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1.5 ÄTIOLOGIE
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Genetische Komponente
Hirnorganische Komponente
Auditive Wahrnehmung
Quantität des Sprachangebots
Qualität des Sprachangebots
Sonstige Einflüsse (Medienkonsum, Krippenbesuch)
Sprach-entwicklungs-
störungen
Kindliche Variablen Umwelt-Variablen
Abbildung modifiziert nach Suchodeletz, W. (Hrsg.), Prävention von Entwicklungsstörungen. Göttingen: Hogrefe.
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1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch Vermeidung frühkindlicher Hirnschädigungen
Durch Therapie von Hör- und auditiven Wahrnehmungsstörungen
Durch adäquaten Medienkonsum
Durch Sprachförderung in Kindergruppen
Durch Anleitung der Eltern
Durch kindzentrierte Sprachtherapie 11
1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch Vermeidung frühkindlicher Hirnschädigungen
umschriebene Sprachentwicklungsstörungen sind nicht Folge biologischer Risiken
Prävention biologischer Risiken während der Schwangerschaft kann zur Prophylaxe von Sprachstörungen bei allgemeiner Retardierung beitragen
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1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch Therapie von Hör- und auditiven Wahrnehmungsstörungen
angeborene HörstörungTaube und schwerhörige Kinder wurden viel zu spät
erkannt (2. LJ, leichte Schwerhörigkeit erst nach Schuleintritt)
→ Möglichkeiten zur Prävention wurden lange verpasstroutinemäßiges Hörscreening von Neugeborenen seit
2009 bundesweite Regelleistung, um innerhalb der ersten 6 Monate mit Therapie zu beginnen
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1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
chronische MittelohrentzündungAnnahme, dass ohne schnelle Behandlung
schwerwiegende Folgen für Sprachentwicklung entstehen, wurde nicht bestätigt
Training auditiver WahrnehmungAuditive Wahrnehmung im Säuglingsalter korreliert mit
späteren SprachleistungenAber: – bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen
konnten keine Wahrnehmungsstörungen belegt werden
– Training bei sprachgestörten Kindern ineffektiv– keine verlässliche Erfassung der Wahrnehmung im
Vorschulalter möglich14
1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch adäquaten MedienkonsumHypothesen:
Entscheidender Einfluss der Medien auf Sprachentwicklung empirisch nicht belegt
Möglichkeiten zu primärer Prävention durch Begrenzung des Konsums sowie zu sekundärer Prävention durch anspruchsvollere Medien begrenzt
Eindeutig ungünstig für Sprachentwicklung bei Vorschülern: unkontrollierter Fernsehkonsum
Medienkonsum führt zu Sprachentwicklungsstörungen
VerdrängungshypotheseÜberforderungshypothese
Mediennutzung fördert die Sprachentwicklung
FörderhypotheseMainstreaming-Hypothese
Mediennutzung ist ohne Einfluss auf die Sprachentwicklung
Lückenbüßer-HypotheseIrrelevanz-Hypothes
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1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch Sprachförderung in Kindergarten und Vorschule
Besuch der Vorschule wirkt sich positiv auf Sprachentwicklung aus, v.a. bei Kindern aus benachteiligten Familien
Wirkfaktoren: - Dauer der Eins-zu-Eins-Interaktion von Kind und
Erwachsenem → Intensität und Qualität der Betreuung- gezielte Sprachtrainings von Sprachtherapeuten
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1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch Sprachförderung in der Kinderkrippe
(frühzeitiger) Krippenbesuch erhöht nicht das Risiko für Sprachentwicklungsstörungen – Betreuung zu Hause während der ersten 3 Jahre ist keine Prävention
Gezielte Frühförderung kann Sprachentwicklungs-störungen vermeiden – für Kinderkrippen noch nicht belegt
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1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch Anleitung von Eltern zu sprachförderndem Verhalten
Anleitung der Eltern ermöglicht beschleunigten Spracherwerb, einfühlsamere Mutter-Kind-Interaktion, entspanntere Familienatmosphäre
Verbesserung von Wortschatz und Sprachkompetenz bei sprachentwicklungsverzögerten Kindern
Vergleichbare Sprachfortschritte nach Elternanleitung und individueller Sprachtherapie → Elternanleitung kostengünstiger
Langfristige Wirkung bislang noch unklar 18
1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch Anleitung von Eltern zum dialogischen Vorlesen
Verschiedene Modellprojekte zeigen förderliche Wirkung auf Sprachentwicklung von Kindern unterschiedlichen Alters
Angebot erreicht auch Problemfamilien
Durch Einsatz von Videotraining relativ kostengünstig
Vorlesen in Kindergruppe nicht effektiv, nur in Einzelsituation →Anpassung für Kindergartensetting nicht ohne weiteres möglich, einfaches Vorlesen reicht nicht aus 19
1.6 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Prävalenz• Ätiologie• Prävention
3. Programm
Durch kindzentrierte Sprachtherapie
Therapien gehören zum Standard bei der Betreuung sprachauffälliger Kinder
Logopädische Behandlung verbessert aktiven Wortschatz und Aussprache
Umstritten, ob Erwerb grammatischer Fähigkeiten beschleunigt oder verbessert werden kann
Langzeiterfolge sowie Prävention von LRS etc. unklar
Insgesamt empirisch schlecht belegte Wirksamkeit20
2.1 SYMPTOMATIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Begrifflichkeiten:Allgemeine Lese-Rechtschreibschwäche:• allgemein schulisch schwache Leistungen augrund:
– intellektueller Grundausstattung– ungünstigen psychosozialen Umständen
Legasthenie, Dyslexie, spezifische Lese-Rechtschreibstörung:• spezifische Probleme: weitgehend auf das Lesen und
Rechtschreiben beschränkt• mind. durchschnittl. Intelligenz• erwartungswidrige Leistungen im Lesen und Schreiben• gute bis sehr gute Leistungen in anderen Fächern
In Einzelfällen, aber nicht immer deutlich voneinander trennbar
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2.1 SYMPTOMATIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
PrimärsymptomatikLesestörung:• Lesegenauigkeit• Lesetempo• Leseverständnis
Rechtschreibstörung:• Verdrehungen von Buchstaben im Wort (b-d, p-q, u-n) • Reihenfolgefehler: („dei“ anstatt „die“)• Auslassungen von Buchstaben („ach“ anstatt „auch“) • Einfügen falscher Buchstaben („Artzt“ anstatt „Arzt“)• Wahrnehmungsfehler (Verwechslung von d-t, g-k)• Regelfehler (Groß-/Kleinschreibung, Dehnungs-h: „hol“ statt „hohl“) • Fehlerinkonstanz: dasselbe Wort wird immer wieder unterschiedlich
geschrieben
keine Legasthenietypischen Fehler! 22
2.1 SYMPTOMATIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Sekundärsymptomatik:• emotionale Belastung• verringerte Leistungsmotivation• generelle Ablehnung des Themas Lesen oder Schreiben
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2.1 SYMPTOMATIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Prävalenz:• 4-8% je nach Definitionskriterium• Jungen: 3-4 x häufiger in Praxen vorgestellt als Mädchen
– In epidemiologischen Studien ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener!
– Unterschiede in der Nutzung eigener Ressourcen:• Aufmerksamkeitsverhalten• Lernmotivation
– Kompensation von Lerndefiziten– fallen im Unterricht weniger auf
• genetische Vulnerabilität• In allen sozialen Schichten • Nachteilig: mangelndes familiäres Angebot einer schriftlichen
Förderung
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2.2 DIAGNOSTIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
ICD-10: F81.0: Lese- und Rechtschreibstörung• Hauptmerkmal: umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in
der Entwicklung der Lesefertigkeiten• Nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder
unangemessene Beschulung erklärbar• Leseverständnis, Fähigkeit, gelesene Worte wieder zu erkennen,
vorzulesen und Leistungen, für welche Lesefähigkeit nötig ist, können sämtlich betroffen sein
• Rechtschreibstörungen sind häufig und persistieren oft bis in die Adoleszenz, auch wenn einige Fortschritte im Lesen gemacht werden
• Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache gehen Entwicklungsstörungen des Lesens
• Schulzeit: häufig begleitende Störungen im emotionalen und Verhaltensbereich 25
2.2 DIAGNOSTIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
ICD-10: F81.1: Isolierte Rechtschreibstörung• Hauptmerkmal: umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung
der Entwicklung vonRechtschreibfertigkeiten
• Ohne Vorgeschichte einer Lesestörung• Nicht allein durch ein zu niedriges Intelligenzalter, durch
Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar.• Fähigkeiten, mündlich zu buchstabieren
und Wörter korrekt zu schreiben, sind beide betroffen.
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2.2 DIAGNOSTIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie: Muliaxiale Diagnostik
• Achse 1: Klinisch-psychiatrisches Syndrom? (z. B. Schulangst, hyperkinetisches Syndrom)
• Achse 2: Umschriebene Entwicklungsstörung? (der Motorik, der Sprache, des Lesens, Rechtschreibens oder Rechnens)
• Achse 3: Intelligenzniveau
• Achse 4: Körperliche Symptomatik
• Achse 5: Abnorme psychosoziale Umstände?
• Achse 6: Beeinträchtigung der psychosozialen Anpassung (Schweregrad der Störung)?
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2.2 DIAGNOSTIK
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Mögliche Testverfahren:
• Weingartener Grundwortschatzrechtschreibtest (WRT 1–3, GRT 4),
• Diagnostischer Rechtschreibtest (DRT 1–4),• Salzburger Lese-Rechtschreib-Test (SLRT) und• Westermann-Rechtschreibtest (WRT 4/5, WRT 6).
28
2.3 ÄTIOLOGIE
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
2.3.1 Vorläuferfertigkeiten Schulbeginn ist nicht die „Stunde Null“, Kinder bringen sogenannte
„Vorläuferfertigkeiten“ mit spezifisch relevant für Lesen- und Schreibenlernen, im Vorschulalter
ausgebildet
A) visuelle Informationsverarbeitung Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung visueller Informationen erklärt nur in geringem Maß Unterschiede im Lesen/Rechtschreiben
(Vellutino, 1979)
29
2.3 ÄTIOLOGIE
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
B) phonologische Informationsverarbeitung im Mittelpunkt der Forschung Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung phonologischer
Informationen Teilbereiche:
b1) phonologische Bewusstheit: Einsicht in Lautstruktur der gesprochenen Sprache
b2) phonologisches Arbeitsgedächtnis: Bereithalten von Lautfolgen im Arbeitsgedächtnis
b3) verbale Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit/ Zugriff auf LZG: Zugang zu innerem Lexikon durch Umwandlung schriftlicher Symbole in lautsprachliche Repräsentationen
Prozess des Lesens: schnelles Finden der den Buchstaben entsprechenden Laute (b3), Behalten der Laute (b2), Verbinden der Laute (b1) und Erkennen des Wortes aufgrund der Lautverbindung (b3)
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2.3 ÄTIOLOGIE
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
b1) phonologische Bewusstheit besonderer prädiktiver Wert für Schriftsprachenerwerb bzw.
Probleme dabei im weiteren Sinne: Zerlegung von Sätzen in Wörter, Silben, Reime
können Kiga-Kinder meist ohne explizites Lernen im engeren Sinne: Zerlegung von Worten in einzelne Laute
können Kiga-Kinder nicht wechselseitiges Wirkungsmuster zwischen phonologischer
Bewusstheit und Schriftspracherwerb (Klicpera & Gasteiger-Klicpera, 1993)
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2.3 ÄTIOLOGIE
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
b2) phonologisches Arbeitsgedächtnis phonologische Schleife und zentrale Exekutive im AG (Baddeley & Hitch,
1974) Erfassung: z.B. mit Sprachentwicklungstest für 3-5jährige Kinder
(SET-K 3-5) (Grimm, Aktas & Frevert, 2001)
b3) verbale Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit/Zugriff auf LZG Geschwindigkeit des Vorgangs beim Schriftspracherwerb Erfassung: schnelles automatisiertes Benennen (Denckla & Rudel, 1976)
von 5 bekannten Symbolen/Farben in verschiedenen Reihenfolgen
b1), b2) und b3) mittelhoch korreliert, aber haben auch einzigartige Einflüsse (Schneider & Näslund, 1993, 1999)
32
2.3 ÄTIOLOGIE
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
C) Allgemeine sprachliche Fähigkeiten Wortschatz, Grammatik bedeutsam für verstehendes Lesen deutliche Überlappung von Sprachentwicklungsstörungen und L-R-
Schwierigkeiten (McArthur, Hogben, Edwards, Heath & Mengler, 2000)
Erfassung: z.B. SET-K 3-5, Heidelberger Sprachentwicklungstest
D) Wissen über Schrift stark abhängig von Elternhaus und Vorschulerziehung Buchstabenkenntnisse vor Schulbeginn, grundlegendes
Zeichenverständnis, Konventionen der Schrift, Verwendungsmöglichkeiten von Schrift
E) Biologische und genetische Basis der Vorläuferfertigkeiten genetische Basis von Lese-Rechtschreibkompetenzen gesichert:
h² ≈ .60 33
2.3 ÄTIOLOGIE
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
2.3.2 Ursachen defizitäre Voraussetzungen/Vorläuferfertigkeiten
„phonological core deficit“-Theorie (Stanovich, 1988)
Theorie des doppelten Defizits (Wolf & Bowers, 1999): Defizite im phonologischen Bereich und Defizite im schnellen „visuellen“ Benennen (Geschwindigkeit des Zugangs zum semantischen Lexikon) zeigen unique und interagierende Effekte
unspezifische Faktoren (betreffen nicht nur LR-Probleme) allgemeine Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit Aufmerksamkeitsdefizite Motivationsdefizite ungünstige Umweltbedingungen (Familie, Unterricht)
Zusammenspiel von spezifischen und unspezifischen individuellen Faktoren mit Umweltbedingungen
34
2.4 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
2.4.1 sekundäre/tertiäre Prävention spezifische Trainings bei gravierenden Defiziten, da reines Üben
nicht reicht zeigt nicht immer gewünschte Erfolge im Leistungsbereich, da
Leistungsabstand zwischen Kind und Mitschülern schon zu groß viele Förderprogramme sind nicht individualisiert genug einsetzbar,
um Kinder ganz spezifisch zu fördern
35
2.4 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
2.4.2 primäre Prävention können an allen Vorläuferfertigkeiten und Einflussfaktoren ansetzen Förderung der phonologischen Bewusstheit zeigt gute Wirksamkeit andere beide Komponenten der phonologischen
Informationsverarbeitung: nicht weniger wichtig, aber bislang noch keine wirksamen Fördermaßnahmen gefunden
exemplarisch
„Hören, Lauschen, Lernen“ (Küspert & Schneider, 2008) und „Hören, Lauschen, Lernen 2“ (Plume & Schneider, 2004)
36
„Hören, Lauschen, Lernen“
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Aufbau des Trainings (1): Dauer: 6 Einheiten, tägliche Übungen in letzte 20 Wochen des Kiga-
Besuchs Ziel: Vorschulkindern Einblick in Lautstruktur der gesprochenen
Sprache geben, besonders akustische Diskrimination und Abstraktion sprachlicher Segmente nicht: Lesen oder Schreiben lernen!
Administration: Erzieherinnen, in Kleingruppen (Förderung der schwächeren Kinder)
spielerische Gestaltung, aber detaillierter und exakt einzuhaltender Trainingsplan
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„Hören, Lauschen, Lernen“
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„Hören, Lauschen, Lernen“
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Ablauf des Trainings: 1. Einheit: Lauschspiele – konzentriertes Lauschen, Orten und
Identifizieren von Geräuschen 2. Einheit: Reime – Umgang mit der formalen Struktur gesprochener
Sprache 3. Einheit: Sätze und Wörter – Zerlegung gesprochener Sätze in
kleinere Einheiten 4. Einheit: Silben – Erkennen der Silben durch Singen und
rhythmische Übungen; Silbentrennung und Silbenzusammensetzung 5. Einheit: Anlaute – Identifikation von Lauten 6. Einheit: Phone (Laute) – Analyse und Synthese von Lauten
39
„Hören, Lauschen, Lernen“
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Aufbau des Trainings (2): Aufbauprogramm zu „Hören, Lauschen, Lernen“, aus dem auch Teile
verwendet werden Dauer: 20 Wochen Ziel: schwächsten Vorschulkindern ein stabilisiertes Vorwissen
mitgeben, deswegen explizite Vermittlung von 12 Buchstabe-Laut-Korrespondenzen
40
2.4 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Wirksamkeitsnachweise: vier Längsschnittstudien mit unselektierten Kiga-Gruppen (signifikante Verbesserung der
phonologischen Bewusstheit), Risikokindern (erreichten meist durchschnittliche Leistungen), Kindern aus schulvorbereitenden Einrichtungen von Sonderschulen
(profitierten nur kurzfristig) und Migrantenkindern (holten Rückstand zu Kindern mit Deutsch als
Muttersprache auf)
wichtige Wirkmechanismen bei solchen Trainings: regelmäßige Durchführung über längeren Zeitraum ausreichendes Training der phonologischen Bewusstheit im engeren
Sinn Integration der Buchstabe-Laut-Zuordnung ins Training sorgfältige Einarbeitung (und nach Möglichkeit Supervision) der
Administratoren41
2.4 PRÄVENTION
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
2.4.3 Möglichkeiten im Kontext keine direkte Beeinflussung des Kindes, sondern seiner Lernumwelt besonders: Leseumwelt in Familie/Kiga/Schule und allgemeine
Beschäftigung mit Schrift (Lesesozialisation) familiäre Leseumwelt:
Vorlesen, gemeinsames „Lesen“ von Bilderbüchern, Erzählen von Geschichten, verfügbare Bücher/Bilderbücher im Haushalt, allgemeine Wertschätzung des Lesens
Sprachkompetenz, Kenntnisse über Schrift, Lesemotivation/-interesse des Kindes
wichtiger Mechanismus: aktive Beteiligung des Kindes beim Bilderbuchlesen („dialogisches Bilderbuchlesen“)
Kiga/Schule: kompensatorisch, wenn im Elternhaus wenig gelesen wird z.B. Leseecken, gegenseitiges Vorstellen der Lieblingsbücher,
Organisation von Lesepatenschaften 42
3. Zusammenfassung
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Sprachentwicklungsstörungen können schwerwiegende Folgen in allen Bereichen mit sich
bringen, daher ist Prävention und frühe Intervention nötig für die Prävention haben sich gezielte Frühförderung in
Kindergarten und Vorschule, individuelles Sprachtraining durch Sprachtherapeuten sowie die Anleitung der Eltern als wirksam erwiesen
Lese-Rechtschreibstörungen Hauptmerkmal: umschriebene und bedeutsame
Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten Multiaxiale Diagnostik zu empfehlen Vorläuferfertigkeiten als entscheidende Faktoren für den Lese-
und Rechtschreiberwerb Prävention sollte v.a. primär gestaltet sein, da so beste
Wirksamkeit erzielt
43
QUELLEN
1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
Petermann, F., Fröhlich, L. P., Metz, D. & Koglin, U. (2010). Elternbasierte Sprachförderung im Vorschulalter – Das Lobo-Programm. Göttingen: Hogrefe.
Plume, E. & Warnke, A. (2007). Definition, Symptomatik und Prävalenz der Lese-Rechtschreib-Störung. Monatsschrift für Kinderheilkunde, Volume 155, Number 4, Pp. 322-327
Kannengieser, S. (2010). Sprachentwicklungsstörungen – Grundlagen, Diagnostik und Therapie, München: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag
Küspert, P. & Schneider, W. (2008). Hören, lauschen, lernen – Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
Küspert, P., Weber, J., Marx, P. & Schneider, W. (2007). Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. In W. von Suchodoletz (Hrsg.), Prävention von Entwicklungsstörungen (S. 81-96) . Göttingen: Hogrefe.
Marx, P. (2007). Lese- und Rechtschreiberwerb. Paderborn: Schöningh.
von Suchodoletz, W. (2007). Prävention umschriebener Sprachentwicklungsstörungen. In W. von Suchodoletz (Hrsg.), Prävention von Entwicklungsstörungen (S. 45-80) . Göttingen: Hogrefe.
Szahun, G. (2010). Sprachentwicklung beim Kind, Weinheim und Basel: Beltz-Verlag 44
Danke für Eure
Aufmerksamkeit!1. SES•Symptomatik• Prävalenz• Folgen• Determinanten• Ätiologie• Prävention
2. LRS• Symptomatik• Diagnostik• Ätiologie• Prävention
3. Zusammen-fassung
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