Post on 05-Apr-2015
Mitbestimmung in ehemals kommunalen Energieversorgungsbetrieben
vorgestellt von Nina Weimann M.A., Institut für Soziologie, Universität Erlangen-
Nürnberg
Inhaltsverzeichnis
Situation öffentlicher Unternehmen Situation nach der (Teil-)Privatisierung Zentrale Erkenntnis Zusammensetzung des Betriebsrates Die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden und seine
Auswirkungen auf die intra-organisationalen Interaktionsstrukturen
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Management
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern
Zusammenfassung
Die Situation der öffentlichen Energieversorger
Monopolstellung auf dem Stormmarkt bringt geringe Problemanfälligkeit öffentlicher Unternehmen
„wirtschaftliche Sorglosigkeit“ da fehlender Konkurrenzdruck
Akzeptanz mäßiger Löhne (im Vergleich zur freien Wirtschaft) bei gleichzeitiger Arbeitsplatzsicherheit
Klassischer Arbeitnehmertypus: von der Lehre bis zur Rente ein gesichertes Leben
Breiter Konsens zwischen Arbeitnehmern und ihren betriebliche Vertretern
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Situation nach der (Teil-) Privatisierung
Neue Markt- und Wettbewerbssituation Als Tochtergesellschaften der Stadt Zwang zur
Wirtschaftlichkeit Kosten-Nutzen-Kalkül tritt in den Vordergrund
unternehmenspolitischer Entscheidungen (Einstellung, Bezahlung von Mitarbeitern, Umstrukturierungsprozesse und Rationalisierungsmaßnahmen)
Neue rechtliche Situation Von der öffentlichen zur privaten Unternehmensform Übergang vom Personalrat zum Betriebsrat
(Personalvertretungsgesetz => Betriebsverfassungsgesetz) Entsendung von Betriebsräten in den Aufsichtsrat („Co-
Management“) Neuer Tarifvertrag (BAT/BMTG => TV-V)
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Situation nach der (Teil-) Privatisierung
Neue personale und organisatorische Situation
Veränderte Interaktionskultur zwischen Mitarbeitern, Betriebsrat und Management
beeinflusst wesentlich die Möglichkeiten der betrieblichen Mitbestimmung
Zentrale Erkenntnis:
Trotz gleicher rechtlicher Handlungs- und Ausgestaltungsoptionen (BetrVG) gibt es in den untersuchten Betrieben kein homogenes Bewältigungsmuster der betrieblichen Mitbestimmung
Es existiert kein generalisierter Mechanismus der betrieblichen Interessensvertretung, sondern es bedarf der Initiierung durch individuelle bzw. kollektive Konventionen festgesetzter Austauschprozesse und Definitionen
Zusammensetzung des Betriebsrates
In allen untersuchten Gruppen zeichnet sich identisches Bild hinsichtlich persönlicher Merkmale der Betriebsräte:- politisch interessiert- sozial engagiert- diskussionsfreudig- eloquent- gerechtigkeitsliebend
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammensetzung des Betriebsrates
heterogene Zusammensetzung:
Vorteil: Abdeckung möglichst vieler Interessen
Nachteil: Konfliktanfälligkeit, mangelnde Konsensbereitschaft, Fraktionenkämpfe (v.a. bei unterschiedlicher Gewerkschaftszugehörigkeit)
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammensetzung des Betriebsrates
homogene Zusammensetzung (Dominanz spezifischer Bereiche, Zahl kaufmännischer oder gewerblicher Mitarbeiter):
Vorteil: relative Konfliktarmut Dynamischere Zusammenarbeit und
Effektivität des Gremiums Nachteil: Vernachlässigung kleiner, im
BR nicht-repräsentierter Abteilungen Interessensverzerrung
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammensetzung des Betriebsrates Anders als bei Industriebetriebsräten kein
„industrietypisches Rekrutierungsmuster“: Gewerkschaftszugehörigkeit und erhöhter
Arbeiteranteil abnehmende Gewerkschaftszugehörigkeit bei
jungen BR Struktur des öffentlichen Dienstes bringt
höheren Angestelltenanteil Insgesamt höheres Bildungsniveau als in
Industriebetrieben (macht sich an Abschlüssen und Position im Unternehmen fest)
Zusammensetzung des Betriebsrates
In allen untersuchten BR herrscht intra-organisationale Offenheit bezüglich einer Heterogenität
Alle Gruppen sahen Notwendigkeit des Aufbrechens homogener und traditionell verkrusteter Strukturen
Setzt sich aus folgenden Bestrebungen zusammen:
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammensetzung des Betriebsrates
BR achten bereits bei Nominierung auf ausgewogene Kandidatenliste
Diskussion über Einsatz von Listenwahl zur Sicherung der Ausgewogenheit
steigender Frauenanteil deutliche Verjüngung des
Gremiums in den letzten JahrenNina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammensetzung des Betriebsrates
Trotz Bemühungen bildet kein BR ein adäquates Abbild der Unternehmensstruktur
Größere Unternehmensbereiche oder Abteilungen setzen sich bei der Wahl der Kandidaten gegenüber kleineren Bereichen durch
Alle BR neigen also Folge dazu, sich auf größere Organisationseinheiten zu konzentrieren
Man bemüht sich aber Unterrepräsentanz in kleineren Bereichen durch regelmäßige Sprechstunden auszugleichen
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden
Machtverteilung innerhalb des Betriebsrates durch zwei Faktoren bedingt:
Differenzierung zwischen BR-Vorsitz und BR-Mitglied
Differenzierung zwischen freigestelltem und nichtfreigestelltem BR
Wichtigster Faktor der Differenzierung ist zeitliche Dimension
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden
BR-V unterscheidet sich zusätzlich zur zeitlichen Perspektive auch durch persönliche Merkmale, welche ihn als Führungsperson auszeichnen
Zusammenhalt zwischen BR-V und Mitgliedern wird wesentlich durch personale Eigenschaften des BR-V geprägt
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden
In allen Untersuchungsgruppen ergibt sich klare Dominanz des BR-V aber es lassen sich unterschiedliche Ausprägungsformern verorten:
Im Unternehmen A existiert ein auf Kooperation, Egalität und Informalität bedachter BR-V
Die zum Kollektiv aufgebaute Beziehung entbehrt jeglicher Machtasymmetrien
Person des BR-V ist nicht über Kritik erhaben, sondern wird in der Diskussion immer wieder in Frage gestellt
Keine Toleranz eines Vorsprungs an Wissen durch das Kollektiv
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Rolle des
Betriebsratsvorsitzenden Im Unternehmen B ist der BR-V die
„Schaltzentrale der organisatorischen Macht“ qua Konvention (keine Toleranz, sondern Akzeptanz)
Der BR-V besitzt einen deutlichen Informations- u. Wissensvorsprung
Klare Rollenaufteilung: BR-V als Ansprechpartner des Managements, BR als Ansprechpartner der MA
Entscheidungsfindung durch BR-V, BR als „ausführendes“ Organ
Die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden
Im Unternehmen C klare Machtkonzentration beim BR-V
Im Unterschied zu B keine Konvention (Toleranz, nicht Akzeptanz)
BR-V zeichnet sich durch „erstarrte und standfeste“ Position aus, entbehrt jeglicher Fähigkeit zur Selbstkritik
Die intra-organisationalen Interaktions- u. Kommunikationsstrukturen
Betriebsrat A: „Wir sitzen alle in einem Boot“
Betriebsrat B: “Mit Autokratie zum Erfolg“
Betriebsrat C: “Früher war alles besser“
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Management
Mit Liberalisierung des Strommarktes ergab sich neues Anforderungsprofil für Stellenbesetzung im Management
Neuer Typus innerhalb des Managements
Kennzeichen: starke Tendenzen zur Professionalisierung & Individualisierung
Primäre Orientierung an „hard skills“ bei der Einstellung neuer Führungskräfte
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Management
Kennzeichen der Beziehung zum BR: Geringschätzung der Institution BR Versuch der Entwicklung eigener Strategien
zur Schwächung der Machtposition des BR
Auf Grund zunehmender Verbetrieblichung der Interessensvertretung erweist sich
Machtasymmetrie als besonders schwerwiegend
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Management
vertrauensvolle Beziehung zwischen Management und BR unterliegt seit Liberalisierung einer beständigen Bewährungsprobe
auffallend ist eine homogene und unternehmensunabhängige Wahrnehmung der BR
aber: Heterogenität der Bewältigungsmuster!
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Management
Stadtwerke A: verstärkte Eigeninitiative zur Etablierung bzw. Aufrechterhaltung einer informellen Interaktionskultur
Stadtwerke B: informelle Strukturen zwischen BR-V und Management sorgen für vertrauensvolle Zusammenarbeit
Stadtwerke C: resignierende Kampfansagen des BR, Misstrauensspirale, Störung der vertrauensvollen Zusammenarbeit
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern
Wandel des Selbstverständnisses der Arbeitnehmer durch Umstrukturierung => zunehmende Individualisierungstendenzen
Kennzeichen: sinkende Zahl der Gewerkschaftsbeitritte, Diskrepanz in der Eigen- und Fremdwahrnehmung der betrieblichen Interessensvertretung
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern
BR heute zunehmend aus dem Gefüge der Arbeitnehmer herausgelöst => nähert sich in seiner heutigen Funktion als „Co-Manager“ stetig der Managementebene an!
In allen drei Gruppen wurde Annäherung als Notwendigkeit für eine adäquate Interessensvertretung empfunden
Aber:In der Wahl dieser Handlungsoption ist Dilemma
eines abnehmenden Rückhalts durch die Beschäftigten begründet
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern
Auf Grund zunehmender Abkoppelung des BR von der Basis sehen Arbeitnehmer die Übergabe ihrer Autonomie an ein kollektives Interessensorgan als nicht mehr gerechtfertigt an
sie versuchen ihre Interessen auf individueller Ebene durchzusetzen
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern
Homogene Wahrnehmung aller Gruppen bezüglich abnehmenden Rückhalts bei den Mitarbeitern, genereller Tenor einer stärkeren Rückkopplung betriebsrätlicher Arbeit an Mitarbeiter
aber: heterogene Umsetzungsformen
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Die Beziehung zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern
Betriebsräte A und B: äußerst offensive Haltung gegenüber Mitarbeiterinformation, man sucht bewusst Kontakt zu den Arbeitnehmern
Betriebsrat C: negative Erfahrungen des BR-V lähmen gesamte Gruppe, hohes Maß an Passivität
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!
Analyse der Betriebsratskultur und der Interaktionskultur zwischen BR, Management und Beschäftigten zeigt, dass erfolgreicher Wandel der betrieblichen Interessensvertretung weniger von strukturellen Gegebenheiten als vielmehr von akteurspezifischem Handeln abhängig ist!
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!
Erweiterung der Mitbestimmungsrechte bringt keine hinreichende Erklärung des Wandels
denn: alle drei Gruppen verfügten über gleiche rechtliche Möglichkeiten
Wandel der betrieblichen Interessensvertretung macht sich nicht an strukturellen Neuerungen fest, sondern vielmehr daran, wie die Betriebsräte mit ihrer novellierten Stellung umgehen
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammenfassung
Nachweis der generellen Existenz eines Wandels der betrieblichen Interessensvertretung
Wandel macht sich fest an betriebsrätlicher Wahrnehmung und deren Umsetzung
Vorhandensein einer kollektiven Betriebsräteidentität
Neuer Typus des Betriebsrates zeichnet sich durch differenzierte Betrachtung seiner traditionellen Rollenzuschreibung aus
Veränderte Wahrnehmung hinsichtlich grundlegender Elemente der klassischen Interessensvertretung
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammenfassung
Neuer Typus identifiziert sich weder durch primäre Vertretung generalisierbarer Arbeitnehmerinteressen noch durch unkritische Gewerkschaftsgefolgschaft
Existenz von Gewerkschaften besitzt zwar uneingeschränkte Relevanz, aber es erfolgt deutliche Abkoppelung der betriebsrätlichen Alltagsarbeit von gewerkschaftlicher Zugehörigkeit
BR sehen sich heute nicht mehr als Verfechter eines einheitlichen Interesses der Arbeitnehmer (hohe Entlohnung und soziale Absicherung)
Entwicklungen der Arbeitswelt führten zu einer bisher unbekannten Interessensheterogenität der Arbeitnehmer
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg
Zusammenfassung
Trotz kollektiver Betriebsräteidentität sowie gleichen rechtlichen Handlungsoptionen kommt es nicht zu einem homogenen Wandel der betrieblichen Interessensvertretung
Starke Abhängigkeit der BR von den anderen Akteuren der betrieblichen Lebenswelt
Zukunft der betrieblichen Interessensvertretung in ehemals kommunalen Energieversorgungsbetrieben ist kontingent.
Nina Weimann, Institut für Soziologie der FAU Erlangen-Nürnberg