Post on 06-Feb-2018
InformationsplattformRegionales StoffstrommanagementPotenziale erkennen, Prozesse optimieren, Mehrwert schaffen
Vorbemerkungen 2Zum Projekt 2
Das IfaS 3
Stoffstrommanagement 4Neue Handlungsansätze 4
Ursprung 5
Regionalentwicklung 6
„Null-Emission” 8
Management 9
Kernelemente 10
Netzwerke 11
Grundsätze 12
Projektbeispiele 13Ascha 14
Cochem-Zell 16
Greußenheim 18
Güssing (A) 20
Jühnde 22
Mauenheim 24
Morbach 26
Ostritz-St.Marienthal 28
Umwelt-Campus Birkenfeld 30
Verbandsgemeinde Weilerbach 32
Leitfaden 34Überblick 34
Masterpläne 36
Verschiedene Varianten 38
Fließende Übergänge 40
Vorgehen 41
DieInformationsplattform 42Weitere Informationen 42
Impressum 44
Inhalt
1
Knappe Ressourcen und belastete Senken stellen immer größere ökologische und
ökonomische Probleme dar. Die Nutzung regionaler, erneuerbarer Potenziale kann Ökosysteme
entlasten, neue Werte schaffen und alte Werte erhalten.
Mit diesem, durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekt, möchten wir
Ihnen eine Informationsplattform bieten, welche anhand von konkreten Projektbeispielen, einem
kurzen Filmbeitrag, zahlreichen Hintergrundinformationen und einem Leitfaden den Einstieg in
das breite Thema des regionalen Stoffstrommanagements erleichtert.
Die Informationsplattform ist multimedial aufgebaut und auf CD-ROM verfügbar. Ergänzend zur
CD-ROM möchten wir Ihnen mit dieser Broschüre einen kurzen Überblick und eine Kurzfassung
ausgewählter Inhalte der Informationsplattform zur Verfügung stellen. Wir hoffen, Ihnen mit
dieser ersten Auflage der Informationsplattform ein vielfältiges und interessantes Hilfsmittel zur
Verfügung stellen zu können.
Da sich das Thema Stoffstrommanagement durch zahlreiche Einflüsse ständig weiterentwickelt,
wird auch diese Informationsplattform sich weiterentwickeln. In einem weiteren Schritt möchten
wir die Informationen daher zukünftig auch online im Internet verfügbar machen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich mit Wünschen, Verbesserungsvorschlägen und
Hinweisen zu interessanten Projekten an der Weiterentwicklung dieser Plattform aktiv
beteiligen.
Ihr Team des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS)
Das Institut für angewandtes Stoffstrommanagement ist ein junges In-Institut der Fachhoch-
schule Trier mit Sitz am Umwelt-Campus Birkenfeld.
Das interdisziplinäre Team aus sechs Professoren, 30 Mitarbeitern und zahlreichen
Diplomanden, Praktikanten und Hilfskräften setzt sich u.a. aus folgenden Fachrichtungen
zusammen:
• Betriebswirtschaft
• Wirtschaftsingenieurwesen
• Maschinenbau
• Verfahrenstechnik
• Energietechnik
Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Heck betreut das IfaS in interdisziplinären Projektteams
nationale und internationale Projekte u.a. in den Bereichen regionales Stoffstrommanagement,
Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Biomasselogistik, Mittelstandsförderung, Klimaschutz
und Zertifikatehandel.
Im Rahmen des Masterstudiengangs „International Material Flow Management“ (IMAT) mit
Angeboten in Deutschland, Japan und der Türkei sowie bei akademischen und nicht-akade-
mischen Weiterbildungsangeboten bietet das IfaS zahlreiche Möglichkeiten zur Vertiefung des
Themas „Stoffstrommanagement“.
Wünschen Sie weitere Informationen zu den Dienstleistungen, Forschungsprojekten und
Weiterbildungsangeboten des IfaS können Sie uns unter folgender Adresse erreichen:
• Raum- und Umweltplanung
• Fortswirtschaft
• Agraringenieurwesen
• Umweltrecht
Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS)
Fachhochschule Trier / Umwelt-Campus Birkenfeld
Postfach 1380
55761 Birkenfeld
Tel.: +49 (0) 6782 / 17-1221
E-Mail: ifas@umwelt-campus.de
URL: http://www.ifas.umwelt-campus.de/
VorbemerkungenVorbemerkungen
Informationsplattform Regionales Stoffstrommanagement
Zum ProjektInstitut für angewandtes Stoffstrommanagement
Das IfaS
2 3
Stoffstrommanagement besteht aus zwei wesentlichen Aspekten: zum einen dem Aspekt der
Analyse und Bewertung aller Stoff- und Energieströme in einem System und der sich hieraus
ergebenden, technischen Optimierungsmöglichkeiten. Der zweite, weitaus diffusere Aspekt
des Stoffstrommanagements besteht im Management selbst. Es stellt eine besondere Heraus-
forderung dar, komplexe, administrative Systeme wie ein Bundesland oder eine Gemeinde
effizient zu managen. Dabei muss der Unterschied zwischen effizient verwalten und managen
klar aufgezeigt werden. Die aus ökologischen, sozialen und ökonomischen Notwendigkeiten
abgeleiteten neuen Stoffsysteme benötigen einen proaktiven, ehrgeizigen und stringenten
Handlungsansatz.
Dieser Handlungsansatz stellt eine Herausforderung dar, bietet aber auch vielfältige Chancen
für die Behörden, Verwaltungen und kommunalen Unternehmen. Die Anwendung neuer Tech-
nologien sowie die neue Anwendung alter Technologien birgt ein höheres Maß an Unsicherheit
und Risiko als die vertraute, althergebrachte Methodik. Der Wandel unserer ökonomischen,
ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen erfordert jedoch neue Wege und neue
Managementansätze.
Die bisherige Verwaltung der Stoffströme ist an Prinzipien der Versorgungssicherheit, der
Hygiene und der umweltunbedenklichen Entsorgung ausgerichtet. Nachhaltige Wertschöpfung
im Sinne der Agenda 21 findet in der Regel nicht statt.
Stoffstrommanagement stellt den Versuch dar, Nachhaltigkeit als echte Handlungsoption
finanzierbar, technisch und administrativ möglich zu machen sowie sozial und politisch
akzeptabel zu präsentieren. Dabei spielen Pläne (Masterpläne, Geschäftspläne), Szenarien und
Sensitivitätsanalysen ebenso eine zentrale Rolle wie das Management von Schlüsselpersonen,
die Zuordnung von Verantwortlichkeiten, das Schaffen von Anreizen, das Monitoring und die
kontinuierliche Weiterentwicklung. Wege, diesen komplexen Managementansatz umzusetzen,
möchten wir Ihnen hier mit dem regionalen Stoffstrommanagement aufzeigen.
Prof. Dr. P. Heck
Geschäftsführender Direktor IfaS
Bekannte Ideen
Stoffstrommanagement (SSM) ist nicht neu. Bereits 1994 wurde es von einer Enquête-
Kommission als das „zielorientierte, ganzheitliche und effiziente Beeinflussen von
Stoffsystemen“ definiert. Im Bereich der Industrie wird Stoffstrommanagement schon lange zur
Optimierung der Betriebsabläufe eingesetzt. Ziel ist es, die bei der Produktion eingesetzten
Stoffe möglichst wertschöpfend bzw. gewinnbringend zu verwenden. Dies geschieht z.B. durch
die Vermeidung von Abfällen und die Kreislaufführung von Stoffen.
Regionale Stoffströme
Die Ansätze des betrieblichen Stoffstrommanagements lassen sich auch auf kommunale
Gebietskörperschaften übertragen. Bei einem Stoffstrommanagement auf kommunaler Ebene
wird eine Kommune als ein Gesamtsystem aus unterschiedlichen Stoffströmen verstanden.
Auch wenn man sie sich selten bewusst macht, so gibt es doch zahlreiche regionale
Stoffströme. Hier nur eine kleine Auswahl:
• Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat
• Abfälle und Reststoffe aus den Haushalten, der Industrie und dem Gewerbe,
• Abwasser und die aus der Abwasserbehandlung verbleibenden Reststoffe wie Klärschlamm,
• vielfältige Biomassen aus der Land- und Forstwirtschaft oder
• Energieträger in Form fossiler Rohstoffe oder Erneuerbare Energien wie Sonnenenergie
oder Windkraft.
Ziel des regionalen Stoffstrommanagements ist es, diese zahlreichen Stoffe möglichst effizient
zu nutzen und zu kombinieren, die Nutzungsdauer der eingesetzten Stoffe zu verlängern
oder nicht verwertbare Reststoffe möglichst kostengünstig zu behandeln. All diese Schritte
führen sowohl zu verringerten Umweltauswirkungen als auch zu einer höheren regionalen
Wertschöpfung.
StoffstrommanagementStoffstrommanagement
Herausforderung und Chance
Neue HandlungsansätzeVon der betrieblichen Optimierung hin zur Region
Ursprung
4 5
Stoff- und Energieströme heute
Regionen versorgen sich mit Energie und Rohstoffen aus benachbarten nationalen und
internationalen Systemen. Nur ein geringer Teil der Wertschöpfung findet noch in der Region
statt. Die in der Region vorhandenen lokalen Ressourcen werden kaum oder ineffizient genutzt.
Hierdurch fließen große Mengen finanzieller Mittel aus der Region ab. Steigende Energie- und
Rohstoffpreise führen zu einem Verlust der Kauf- und Wirtschaftskraft der gesamten Region.
Die Bewohner der Region müssen für die gleiche (Dienst-) Leistung (Wärme, Licht, Nahrung,
Mobilität etc.) mehr bezahlen ohne jedoch zusätzliche Wertschöpfung zu generieren.
Regional optimierte Stoffströme
Die Optimierung der Stoff- und Energieströme erfolgt mit dem Ziel Stoffkreisläufe zu schließen
und möglichst erneuerbare, regionale Ressourcen einzusetzen. Durch die Nutzung regionaler
Ressourcen können verstärkt finanzielle Mittel in der Region gebunden werden. Hierdurch
werden die regionalen Wirtschaftskreisläufe gestärkt. Die Nutzung regionaler Potenziale
erfordert neue Techniken, neue, zum Teil hochqualifizierte Mitarbeiter und viel Kapital. Durch
geschicktes Management der regionalen Stoffströme können Dienstleistungen und Produkte,
bei gleichem Arbeitsplatzangebot und höherem Kapitalzufluss, günstiger angeboten werden.
Die Grundlage hierfür bildet die intelligente Verknüpfung der regionalen Potenziale. Der höhere
Kapital- und Managementaufwand refinanziert sich durch Suffizienz, Effizienzgewinne und auch
durch die langfristige Nutzung kostengünstiger oder kostenloser Stoff- und Energieströme wie
z.B. der Sonnenenergie.
StoffstrommanagementStoffstrommanagement
Wertschöpfung durch Klimaschutz
Regionalentwicklung
6 7
Wertschöpfung durch Kreislaufführung
Emissionen sind allgegenwärtig. Die Vision einer völlig emissionsfreien Welt klingt somit
absurd. Durch den Menschen geschaffene Emissionen haben jedoch z.B. das Problem der
globalen Klimaveränderung geschaffen. An dieser Stelle setzt die Vision „Zero-Emission” bzw.
„Null-Emission” an. Menschliche Emissionen sind im Gegensatz zu natürlichen Emissionen
nicht oder nur schlecht in das Gleichgewicht des natürlichen Stoffkreislaufs eingebunden.
Gelingt es, die durch den Menschen verursachten Stoffflüsse in einem Kreislauf ähnlich
den natürlichen Stoffkreisläufen zu führen, lassen sich hierdurch die
Wertschöpfungsketten verlängern. Abfälle und Emissionen verursachen
steigende Kosten, ihre Nutzung oder Verringerung erhält Werte oder
kreiert neue.
Optimierung über Bereichsgrenzen hinaus
Eine „echte” Kreislaufwirtschaft geht weit über die Grenzen der
bisherigen Ansätze des deutschen Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes hinaus. Sie ist die ganzheitliche Betrachtung und
Optimierung der Stoff- und Energieströme über alle Stationen ihres
Lebenswegs und über die klassischen sektoralen Grenzen (wie z.B.
dem Gewerbe, der Haushalte, der Landwirtschaft etc.) hinweg. Das
Werkzeug hierzu ist das Stoffstrommanagement.
„Null-Emission” als Managementkonzept
Die Vision „Null-Emission” steht für die permanente Optimierung
und andauernde Suche nach Suffizienz und Effizienz. Die einzelnen
Systeme wie Wasser, Abwasser, Abfall, Energie etc. werden
synergetisch und systemisch analysiert und vernetzt optimiert. Schritt für
Schritt wird sich so dem Ziel „Null-Emission“ angenähert.
Aktives Handeln
Das „Managen” von Stoffströmen bedeutet, aktiv in den Weg der Stoffflüsse
einzugreifen. Ein solches Eingreifen kann auf vielfältige Art und Weise erfolgen.
Manche Stoffströme können direkt durch das eigene Verhalten oder die eigene
Entscheidungskompetenz beeinflusst werden. Die Mehrheit der Stoffströme
in einer Region ist jedoch nur indirekt beeinflussbar. Doch auch hierbei bieten
sich zahlreiche Möglichkeiten: von der Kommunikation mit den Akteuren
über Anreizprogramme bis hin zu Vorgaben durch Satzungen oder andere
Regelungen.
Management-Kreislauf
Unabhängig von der Art der Beeinflussung ist jedoch die Frage, mit welcher
Zielrichtung die Stoffströme beeinflusst werden sollen. Management setzt
Planung voraus. Im Stoffstrommanagement bedeutet dies
• es muss die Ausgangssituation (Stoffströme, Kosten, Akteure etc.) bekannt
sein (Ist-Analyse) und
• es muss ein Plan entwickelt werden, wie die Stoffströme optimiert werden
sollen (Soll-Konzept / Masterplan).
Aufbauend auf der Planung (z.B. im Rahmen eines Stoffstrommanagement-
Masterplans) kann dann die schrittweise Umsetzung erfolgen.
Mit der Umsetzung endet jedoch nicht das Stoffstrommanagement. Einerseits muss eine
Überprüfung erfolgen, ob mit den umgesetzten Maßnahmen die definierten Ziele erreicht
werden. Andererseits entwickeln sich die Rahmenbedingungen weiter. Sowohl durch neue
gesetzliche Regelungen, durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder durch neue
Technologien entstehen neue Anforderungen oder Möglichkeiten der Optimierung. Erst eine
kontinuierliche Weiterentwicklung und Fortschreibung der Planung garantiert den dauerhaften
Erfolg eines Stoffstrommanagements.
Planung
Umsetzung
Kontrolle
Weiterentwicklung
StoffstrommanagementStoffstrommanagement
Kreislaufwirtschaft durch Stoffstrommanagement
„Null-Emission”Planung, Umsetzung, Kontrolle und Weiterentwicklung
Management
8 9
Die im Stoffstrommanagement zu berücksichtigenden Aspekte sind vielfältig. Fünf zentrale
„Kernelemente” sind jedoch in allen Planungsschritten von zentraler Bedeutung:
• Der Bedarf nach Stoffen oder Energie ist in der Regel die Ursache der Stoffströme. In
erster Linie äußert sich dieser in einem messbaren Verbrauch der untersuchten Stoffe bzw.
Energieformen innerhalb der Region.
• Potenziale (genutzte oder ungenutzte) bilden die „Quelle” für Stoffströme. Auch Einsparung
kann als „Potenzial” definiert werden (in diesem Fall als „Stoff“ mit negativem Vorzeichen).
• Der Bereich Technik & Logistik ist das Bindegliede zwischen den Potenzialen und dem
Bedarf. Technik wandelt die Potenziale in eine nutzbare Form um, Logistik überbrückt
räumliche (Transport) oder zeitliche (Lagerung) Distanzen.
• Akteure beeinflussen alle Bereiche des Stoffstrommanagements. Sie lösen Bedarf aus oder
verfügen über Potenziale, sie entwickeln technische Lösungen und entscheiden über die
Finanzierung.
• Die Bereitstellung von Finanzmitteln ist in der Regel die Basis zur Umsetzung von
Maßnahmen. Im Rahmen des Stoffstrommanagements sind daher auch alle planerischen
und organisatorischen Tätigkeiten zur Mittelbeschaffung zu berücksichtigen.
Der Umfang der Betrachtung der einzelnen Aspekte
schwankt je nach Projekt und Arbeitsschritt. Die
regelmäßige Überprüfung, ob alle genannten
Kernelemente in den Überlegungen berücksichtigt wurden
hilft jedoch, bereits frühzeitig erste Fehlerquellen oder
mögliche Schwachstellen in einem Konzept aufzudecken.
Die Region als „Unternehmen”
Die Regionen, Kreise und Gemeinden bilden das zentrale Element bei der flächendeckenden
Umsetzung des Stoffstrommanagements. Sie müssen sich selbst als „Unternehmen“ verstehen,
welche die vorhandenen, regionalen Ressourcen sowie Stoff- und Energieströme aktiv zur
Erhöhung der regionalen Wertschöpfung, zur Verbesserung der Lebensqualität und zum
Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen optimieren und managen. Hierzu muss das
Verwaltungshandeln durch ein strategie- und zielorientiertes Management ergänzt werden.
Netzwerke als Führungsinstrument
Im Gegensatz zu realen Unternehmen sind die Einflussmöglichkeiten auf die einzelnen
Akteure jedoch komplexer und vielschichtiger. Eine Steuerung durch Weisungsbefugnisse und
hierarchische Strukturen ist hier kaum möglich. Führung und Steuerung erfolgen hier vielmehr
auf der Basis der Kooperation und Kommunikation. Die enge Zusammenarbeit
der verschiedenen Akteure ist die Grundlage einer erfolgreichen Umsetzung.
Nur durch die Akteure und ihr Handeln vor Ort können die Stoff- und
Energieströme aktiv beeinflusst und optimiert werden.
Eine besondere Bedeutung kommt daher dem Aufbau und der Betreuung
regionaler Akteursnetzwerke zu. Durch die Analyse der für ein Stoffstrom-
managementprojekt relevanten Akteure, die gezielte Einbeziehung und die
Steuerung der Kommunikation mit und zwischen den Akteuren kann z.B. die
kommunale Verwaltung steuernd in den Prozess eingreifen.
Aufbau von Strukturen
Im Laufe des Prozesses können sich aus diesen Netzwerken auch
eigenständige Strukturen, angefangen von einem „Stoffstrommanagement-Rat”
als zentrale Steuerungsgruppe bis hin zu Organisationsformen wie einer
Genossenschaft oder einer „Stoffstrommanagement-GmbH” entwickeln.
StoffstrommanagementStoffstrommanagement
Zentrale Aspekte im Stoffstrommanagement
KernelementeErfolg durch Kooperation
Netzwerke
10 11
Als Handlungsrahmen für das Stoffstrommanagement ist es empfehlenswert, den
übergeordneten Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung zu konkretisieren und
herunterzubrechen. Die Formulierung der Grundsätze hilft bei späteren Entscheidungen,
z.B. bei der Abwägung unterschiedlicher Interessen oder der Auswahl alternativer
Technologien. Folgende Auswahl an Grundsätzen dient hier als Anregung und Empfehlung:
Umgang mit Energie- und Stoffströmen
• Maßnahmen zur ökoeffizienten Optimierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs
haben Vorrang vor Maßnahmen zur Produktion von Energie bzw. zur Substitution von
Ressourcen („Einsparung vor Erzeugung”)
• Die Einsparung und die Nutzung von Abwärme haben Vorrang vor der
Wärmeproduktion.
• Die Bereitstellung elektrischer Energie durch thermische Prozesse muss eine
Wärmenutzung vorsehen und möglichst dezentral in direkter räumlicher Nähe zu
Wärmeabnehmern erfolgen (Kraft-Wärme-Kopplung).
• Die wirtschaftliche Nutzung erneuerbarer, regionaler Ressourcen hat Vorrang vor der
Nutzung nicht-erneuerbarer Ressourcen und dem Ressourcenimport.
• Die Verarbeitung von Rohstoffen vor Ort hat Vorrang vor dem Transport, sofern eine
Veredelung oder Weiterverarbeitung an anderer Stelle nicht nachweisbar in der
Gesamtbilanz ökoeffizienter ist.
• Die Kreislaufführung von Stoffen hat das Ziel einer möglichst hochwertigen
Wiederverwertung; „Downcycling“ ist zu vermeiden.
• Der Anteil an Reststoffen und Nebenprodukten, welche nicht zur Wertschöpfung
beitragen, ist zu minimieren.
• Die Schaffung und Veränderung von Infrastruktur muss grundsätzlich mit Maßnahmen
zur Energie- und Ressourceneffizienz verknüpft werden.
Dass regionales Stoffstrommanagement keine reine Theorie ist, zeigen die zahlreichen Ansätze,
welche bundesweit in Kommunen und Kreisen bereits existieren.
Auf den nachfolgenden Seiten stellen wir Ihnen unterschiedliche Beispiele aus Kommunen,
Landkreisen und einer Hochschule vor, die ihre Stoffströme aktiv managen. Die Beispiele
zeigen auch, dass trotz unterschiedlicher geographischer, wirtschaftlicher und rechtlicher
Rahmenbedingungen innovative Projekte erfolgreich realisiert werden können.
Allen Projektbeispielen gemeinsam ist ein ganzheitlicher Projektansatz. Im Vordergrund steht
nicht die Realisierung einzelner Maßnahmen, sondern die nachhaltige Weiterentwicklung der
betreffenden Kommune bzw. der gesamten Region. In Abhängigkeit von den politischen und
administrativen Rahmenbedingungen sowie den verfügbaren natürlichen und finanziellen
Ressourcen haben die Akteure dabei sehr unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt. Grob
lassen sich jedoch alle Planungen und Prozesse in die Phasen Bestandsaufnahme/ Analyse,
Planung/ Projektentwicklung sowie Projektumsetzung untergliedern.
Die Beispiele zeigen auch, dass Stoffstrommanagement nicht bewusst im Vordergrund stehen
muss, sondern als Werkzeug in noch umfangreichere Prozesse und Planungen eingebunden
werden kann. Sei es im Rahmen eines Agenda-Prozesses, einer Klimaschutzstrategie oder
auch der Dorferneuerung - Stoffstrommanagement ist ein zentrales Werkzeug innerhalb einer
nachhaltigen Entwicklung.
Der Schwerpunkt der umgesetzten Einzelprojekte liegt im Bereich Erneuerbare Energien,
da aufgrund der politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen hier der größte
Handlungsspielraum besteht. Aber auch in den Bereichen Wasser/ Abwasser, Abfall und
regionale Produkte wurden Projekte realisiert und die regionalen Stoffströme im Sinne einer
regionalen Wertschöpfung positiv beeinflusst.
Die vorgestellten Praxisbeispiele bieten Ihnen einen ersten Eindruck von der Vielzahl der
vorhandenen Möglichkeiten und sollen zum Nachahmen motivieren.
Stoffstrommanagement
Handlungsrahmen des Managements
Grundsätze
Projektbeispiele
12 13
Erfolge im ganzen Land
Projektbeispiele
Wege von der Vergangenheit in die Zukunft
Unter dem Leitbild „Wege von der Vergangenheit in die Zukunft“ hat die
1.536-köpfige Gemeinde Ascha (Kreis Straubing-Bogen) einen beispielhaften
Agenda 21-Prozess eingeleitet und mit ihrem vorbildhaften Engagement große
Aufmerksamkeit auf sich gezogen. So wurde die Gemeinde für ihre Aktivitäten
mehrfach ausgezeichnet und im Jahr 2005 sogar zur EU-Modellgemeinde gekürt.
Mit Engagement zum Erfolg
Seit 1988 ist die Gemeinde bereits im bayerischen Dorferneuerungsprogramm und hat sich
vor diesem Hintergrund schon frühzeitig mit einer ganzheitlichen Gemeindeentwicklung
auseinandergesetzt. So war es nicht verwunderlich als Ascha 1998 als erste Gemeinde im
Landkreis, einen durch außergewöhnliches bürgerschaftliches Engagement gekennzeichneten
Agenda 21-Prozess einleitete. Mit Hilfe der ganzen Dorfgemeinschaft und einer systematischen
Bestandserfassung ist es der Gemeinde gelungen, Probleme und Chancen zu identifizieren und
viele gute Projekte zu entwickeln.
Vielfältige Umsetzung
Das Spektrum der umgesetzten Projekte ist sehr breit gefächert und umfasst beispielsweise:
• den Bau eines Biomasseheizkraftwerks
• den Bau von Photovoltaikanlagen und Solarthermieanlagen
• die energiesparende Sanierung der alten Schule und Neubau der Schule im
Niedrigenergiehaus-Standard
• die Durchführung von Energiesparaktionen
• die Ausweisung eines ökologischen Wohngebiets
• die Optimierung der Trinkwasserversorgung
• die Optimierung der Abwasserentsorgung
• die Gründung von „Ascha aktiv e.V.“ zur Vermarktung regionaler Produkte
Wertschöpfung in der Region
Insgesamt investierte die Gemeinde in den letzten 10 Jahren mehr als 15 Millionen € in die
nachhaltige Umgestaltung ihrer Infrastruktur. Durch den Einsatz Erneuerbarer Energien, die
Maßnahmen zur Wasserver- und entsorgung, die energetische Sanierung, energieeffiziente
Neubauten sowie Einsparmaßnahmen beim Stromverbrauch profitieren die Gemeinde und
die Bürger durch eine langfristig sichere Versorgung und niedrige Nebenkosten. Insgesamt
konnte die regionale Wertschöpfung deutlich gesteigert werden, da das Geld, das früher für
Energieimporte aufgegeben wurde, nun in der Region verbleibt.
Klimaschutz vor Ort
Ein weiterer positiver Effekt ist die CO2-Einsparung, die durch viele Projekte erzielt
werden konnte. Allein durch das Biomasseheizwerk können im Vergleich zu einer fossilen
Wärmeversorgung knapp 600 t CO2/ a eingespart werden. Hinzu kommen die CO
2-
Einsparungen aus den Photovoltaik- und Solarthermieanlagen, die indirekten Einsparungen
durch die Vermarktung regionaler Lebensmittel sowie die Sicherung und Schaffung von
Arbeitsplätzen vor Ort.
Nicht zuletzt wurden durch die vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger und die
zahlreichen durchgeführten Aktionen und Veranstaltungen die bürgerliche Gemeinschaft und
das regionale Bewusstsein gestärkt.
Kontakt:
Verwaltungsgemeinschaft Mitterfels
Burgstr. 1
94360 Mitterfels
www.ascha.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Auszeichnung zur EU- Modellgemeinde
Ascha
14 15
Erfolg durch Umsetzung
Realisiert wurden bisher unter anderem die folgenden Projekte:
• Astrid-Lindgren-Schule: Austausch der veralteten Gaszentralheizung gegen eine
Pelletheizung; erstmalige Finanzierung über Contracting
• Schulzentrum Cochem-Zell: Austausch der alten Ölheizung gegen eine neue, effizientere
Hackschnitzelheizung, Brennmaterial aus dem kommunalen Forst, Finanzierung über
Contracting
• Freizeitzentrum Cochem: Wärmeversorgung des „Moselbads“ über eine neue Holzhack-
schnitzelheizung, Brennmaterial aus dem kommunalen Forst, Finanzierung über Contracting
• Lutzerath: Wärmeversorgung mehrerer öffentlicher Gebäude mit der Abwärme aus einer
Biogasanlage
• Biogasanlage Alflen: Wärmeversorgung des NATO-Flughafens Büchel mit der Abwärme aus
einer Gemeinschaftsbiogasanlage
Einsparung und Wertschöpfung
Insgesamt wurden im Zeitraum der Projektstudie rund 8 Millionen € in den Bau von Biomasse-
anlagen investiert (öffentliche und private Investitionen). Durch das Contracting und den
günstigen Brennstoff Holz, sparen der Landkreis bzw. die Stadt Cochem mehrere 10.000 € pro
Jahr.
Darüber hinaus konnte durch die Aktivierung der lokalen Biomassepotenziale die regionale
Wertschöpfung gesteigert werden. Die Forstwirtschaft erzielt aufgrund der Lieferverträge
langfristig sichere Einnahmen, und auch viele Landwirte konnten sich ein zweites Standbein als
Energiewirte aufbauen.
Chancen erkennen und nutzen
Cochem-Zell, ein Landkreis, der abseits von großen Industriezentren liegt,
hat die Chancen erkannt, sich von fossilen Energieträgern unabhängig
zu machen und durch die Nutzung der eigenen Ressourcen die regionale
Wertschöpfung zu fördern. In Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandtes
Stoffstrommanagement (IfaS) hat der Landkreis die Projektstudie „Regionale
Wertschöpfung durch regionales Stoffstrommanagement im Landkreis
Cochem-Zell“ durchgeführt, mit der er die Nutzung heimischer Biomasse zur
Energieversorgung im Landkreis etabliert hat. So wurden im Rahmen dieses Projektes
kommunale Heizungsanlagen gegen neue Heizungen auf Biomassebasis ausgetauscht und die
Errichtung privater Biogasanlagen unterstützt.
Netzwerke zur Umsetzung
Bereits im Rahmen der Lokalen Agenda 21 wurden die verstärkte Nutzung
regenerativer Energien thematisiert und erste Projektideen entwickelt. Im
Rahmen der Projektstudie wurden dann die land- und forstwirtschaftlichen
Biomassepotenziale ermittelt, der Landkreis hinsichtlich der Umsetzung
einzelner Projekte beraten und weitere Projektideen entwickelt.
Einerseits forcierte der Landkreis in mehreren kommunalen Liegenschaften den
Austausch alter Heizungsanlagen gegen neue Heizungen auf Biomassebasis.
Parallel dazu unterstützte der Landkreis auch private Investoren im Bereich
Biomassenutzung. Gemeinsam mit dem IfaS vermittelte er zwischen den
unterschiedlichen Akteuren, leistete Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, beriet die Investoren
bei der Finanzierung und trieb die notwendigen Genehmigungsverfahren voran.
Kontakt:
Kreisverwaltung Cochem-Zell
Endertplatz 2
56812 Cochem / Mosel
www.cochem-zell.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Regionale Wertschöpfung durch regionales Stoffstrommanagement
Cochem-Zell
16 17
Gemeinsam Projekte entwickeln
Aufgrund des überragenden Engagements aller Beteiligten, konnten im Bereich der
Energieversorgung und der Wasserver- und entsorgung viele gute Projekte umgesetzt werden,
darunter:
• die Errichtung eines Biomasseheizwerks zur Wärmeversorgung mehrerer kommunaler und
privater Gebäude im Ortskern
• die Errichtung zahlreicher Photovoltaikanlagen auf kommunalen und privaten Dachflächen;
auch der neu gebaute Dorfbrunnen wird mit Solarenergie betrieben
• die Errichtung eines Niedrigenergiehauses in Greußenheim, das als Beratungszentrum für
die Bürger hinsichtlich Energieeinsparung und dem Einsatz Erneuerbarer Energien diente
(durch die Bayernwerk-Gruppe im Rahmen des Programms „Energiezukunft Bayern“)
• der Einsatz von regionalem Pflanzenöl als Kraftstoff für mehr als 10 umgerüstete
Dieselfahrzeuge
• Extensivierung der landwirtschaftlichen Flächen und Ausweisung eines neuen Trinkwasser-
schutzgebiets
Grundstein für nachhaltige Kommunalentwicklung
Mit diesen Projekten legte die Gemeinde den Grundstein für eine nachhaltige
Kommunalentwicklung. Durch den Einsatz Erneuerbarer Energien und die Ausweisung
eines eigenen Trinkwasserschutzgebiets profitieren die Greußenheimer von einer langfristig
sicheren und günstigen Grundversorgung. Zudem konnte die regionale Wertschöpfung deutlich
gesteigert werden: Durch das Biomasseheizwerk und die Nutzung von Pflanzenöl als Kraftstoff,
werden Arbeitsplätze in der Region gesichert.
Auch zukünftig hat die Gemeinde noch einiges vor. So sollen z.B. innerhalb der nächsten zwei
Erfolg mit Engagement
Im Rahmen eines Agenda 21-Prozesses ist es der bayrischen Gemeinde
Greußenheim gelungen, ihre Wasser- und Energieversorgung nachhaltig
umzugestalten. Dabei reicht das Engagement der Gemeinde und der Bürger
weit über die üblichen Maße hinaus. Nicht umsonst hat Greußenheim schon
viele nationale und internationale Preise für ihr Engagement im Natur- und
Umweltschutz bekommen.
„Mitdenken - Mitreden - Mitgestalten”
Mitte der 1990er Jahre glich die Situation der Gemeinde Greußenheim der
vieler ländlicher Gemeinden. Insbesondere sah sich die Gemeinde mit einem
erheblichen Sanierungsbedarf im Ortskern, einer hohen Zahl von Auspendlern,
einem Rückgang der dörflichen Strukturen sowie einem hohen Handlungsbedarf
im Bereich Klimaschutz konfrontiert.
Um diese Probleme anzugehen, leitete die Gemeinde 1998 unter dem Motto
„Mitdenken - Mitreden - Mitgestalten“ einen Agenda 21-Prozess ein. Gemeinsam
mit den Bürgern führte die Gemeinde eine Bestandsaufnahme durch und
erarbeitete in zahlreichen Sitzungen, Besprechungen und Workshops
Zielvorstellungen und Projektideen.
Die meisten Projekte wurden in Eigenregie unter der Mitarbeit vieler freiwilliger
Helfer durchgeführt. Bei größeren Projekten schaltete die Gemeinde auch
regelmäßig externe Fachplanungsbüros hinzu, um die Details zu klären und
eine optimale Lösung zu finden. Die Gemeinde steuerte den Prozess durch
Aufklärungsarbeit und organisierte die Beschaffung der Finanzmittel in Form von
Fördergeldern und Krediten.
Kontakt:
Gemeinde Greußenheim
Rathaus, Birkenfelderstraße 1
97259 Greußenheim
www.greussenheim.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Die umweltbewußte Gemeinde
Greußenheim
18 19
20
Wertschöpfung durch Energie, Tourismus und Forschung
Die bis heute erzielten Erfolge sind beachtlich:
• Die regionale Wertschöpfung im Energiesektor betrug im Jahr 2005 13,6 Millionen €/ a, d.h.
dieses Geld floss früher aus der Region hinaus (Energieimporte) und verbleibt nun in der
Region (Nutzung nachwachsender, heimischer Ressourcen).
• Durch die energetische Optimierung aller im Gemeindezentrum befindlichen öffentlichen
Gebäude konnten die Ausgaben für Energie beinahe halbiert werden und auch im privaten
Bereich sanken die Energiekosten deutlich.
• Durch ein spezielles Betriebsansiedlungsprogramm konnte die Zahl der Betriebe von
ca. 840 im Jahr 1981 auf über 1.000 im Jahr 2001 gesteigert werden. Insbesondere im
Bereich Umwelttechnologie, im Bereich Laubholztrocknung und Parkettherstellung sowie im
Tourismusbereich konnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
• Die Zahl der Beschäftigen in der Stadt stieg von ca. 5.000 (1981) auf über 6.000 (2001).
• die Kommunalsteuer der Stadtgemeinde stieg zwischen 1990-2005 um ca. 400.000 € auf
über 1.200.000 €.
• Durch die Gründung des „Europäischen Zentrums für erneuerbare Energie“
(EEE) entwickelte sich Güssing zum Zentrum zahlreicher Veranstaltungen und
Forschungsaktivitäten rund um das Thema Erneuerbare Energien.
• Darüber hinaus sanken die CO2-Emissionen der Stadt Güssing zwischen 1995 und 2008 um
rund 25.000 t/ a auf nunmehr 12.000 t/ a.
Für ihre Leistungen erhielten die Stadt Güssing sowie das „Europäische Zentrum für
erneuerbare Energie“ (EEE) zahlreiche Preise. So wurde die Stadt im Jahr 2004 als innovativste
Gemeinde Österreichs ausgezeichnet und erhielt im gleichen Jahr den Europäischen Solarpreis.
Inzwischen arbeitet das EEE daran, das „Modell Güssing“ auf die gesamte Region zu
übertragen. Derzeit wird der Strombedarf des Bezirks Güssing zu 34% und der Wärmebedarf
bereits zu 55% durch Biomasse gedeckt.
Unabhängige Energieversorgung als Wirtschaftsmotor
Eine kleine südburgenländische Stadt in Österreich trotzt im 21. Jahrhundert der
Energieaußenwelt. Ihre Zauberformel ist die energetische Unabhängigkeit bei
Strom, Wärme und Kraftstoffen von allen Energieversorgern.
Die durch ein sehr ländliches Umfeld geprägte Stadt zählte 1988 noch zu den
ärmsten Regionen Österreichs. Gründe dafür waren insbesondere: die Nähe
zum Eisernen Vorhang (Ungarn), fehlende Industrie- und Gewerbebetriebe,
der Niedergang der Land- und Forstwirtschaft sowie die fehlende Verkehrsinfrastruktur.
Zusätzlich zu diesen Problemen gab es eine starke Kapitalabwanderung aus der Region durch
Energieimporte (Heizöl, Strom, Kraftstoffe).
Diese drohende Abwärtsspirale versuchte die Stadt Güssing zu durchbrechen
und verabschiedete 1990 den Beschluss zum 100%igen Ausstieg aus der fossilen
Energieversorgung. Von Anfang an standen wirtschaftliche Ziele im Vordergrund, ökologische
Vorteile sah man lediglich als positiven Nebeneffekt. So hoffte die Stadt, den durch
Energieimporte verursachten Finanzabfluss zu drosseln und eigene Einnahmen zu erzielen,
ohne die Bürger zusätzlich zu belasten.
100% schon heute
Vor 18 Jahren, als dieses Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, löste
es großes Gelächter aus. Heute ist die Stadt energieunabhängig. Insgesamt
versorgen zwei Biomasseheizwerke, drei Biomasseheizkraftwerke, eine Ölmühle
sowie mehrere Photovoltaik- und Solarthermieanlagen die Stadt mit Strom,
Wärme und Treibstoff. Der in den Biomasseheizkraftwerken und von den
Photovoltaikanlagen produzierte Strom deckt zu 100% den Bedarf der Stadt
Güssing. Bei der Wärmeversorgung liegt der Deckungsgrad sogar bei 140%.
Darüber hinaus konnte die regionale Wertschöpfung enorm gesteigert werden.
Kontakt:
Europäisches Zentrum für erneuerbare Energie
Europastraße 1
A-7540 Güssing
www.eee-info.net
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Europäisches Zentrum für erneuerbare Energie
Güssing (A)
21
Genossenschaft als Basis des regionalen Wirtschaftens
Betrieben werden diese Energieanlagen von der genossenschaftlich organisierten
„Bioenergiedorf Jühnde eG“, ein Zusammenschluss aus Landwirten, Wärmeabnehmern sowie
Mitgliedern der Gemeinde und der Kirche. Somit können die Bürger direkten Einfluss auf die
Entscheidungen des Unternehmens ausüben.
Außerdem tragen die genossenschaftliche Organisation der Anlagen und die dezentrale Energie
versorgungsstruktur zur Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe bei. Die nachwachsenden
Rohstoffe werden in der Gemeinde Jühnde hergestellt und verarbeitet und die selbst erzeugte
Energie anschließend in den Häusern vor Ort genutzt. Die Betreibergesellschaft zahlt rund
230.000 €/ a an die Energielieferanten. Hiervon entfallen 90% auf die Energiepflanzen
liefernden Landwirte und 10% auf die Holz liefernden Forstbetriebe. Damit können in beiden
Sektoren Arbeitsplätze gesichert werden. Neben den Land- und Forstwirten profitieren auch
Handwerksbetriebe und Dienstleistungsbetriebe wie Banken, Versicherungen, Steuerberater
oder Wartungsfirmen vom Bau bzw. Betrieb der Bioenergieanlagen.
Beispiel für viele andere Gemeinden
Das Beispiel der Gemeinde Jühnde zeigt, dass es möglich ist, ein ganzes Dorf aus lokalen,
nachwachsenden Rohstoffen mit einem vertretbaren Kostenaufwand zu versorgen. Zwar
wurde das Projekt „Bioenergiedorf Jühnde“ durch öffentliche Fördergelder bezuschusst, da
das Eigenkapital und die Darlehen zur Finanzierung der Anlagen nicht ausreichten, doch
die zunehmende Nachahmung der Idee zeigt, dass bei den heutigen Energiepreisen die
Realisierung von Bioenergiedörfern auch ohne Zuschüsse wirtschaftlich sein kann.
Nicht zuletzt leistet das „Bioenergiedorf Jühnde” durch die CO2-neutrale Energieerzeugung und
das umweltfreundliche Anbaukonzept einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz.
Mit vereinten Kräften ans Ziel
Das „Bioenergiedorf Jühnde” ist ein erfolgreiches Beispiel dafür, wie mit vereinten
Kräften die Energieversorgung eines ganzen Dorfes nachhaltig umgebaut werden
kann.
Die Idee zur Verwirklichung des Projekts „Das Bioenergiedorf“ stammt vom
Interdisziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Universität
Göttingen und Kassel/ Witzenhausen. Im Oktober 2000 startete das Modellprojekt.
In einem mehrstufigen Auswahlverfahren entschieden sich die Wissenschaftler
schließlich für den Ort Jühnde. Für den Ort sprachen insbesondere folgende Kriterien:
• Einwohnerzahl zwischen 400 und 1.000
• aktives Vereinsleben im Dorf
• kein Anschluss ans Gasnetz
• mindestens drei bis vier aktive Landwirte im Dorf
• ausreichendes land- und forstwirtschaftliches Biomassepotenzial
• geringe Höhenunterschiede
• mindestens ein großes Versammlungsgebäude im Dorf
• großes Interesse der Dorfgemeinschaft an dem Projekt
• technische Machbarkeit und positive Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Energie aus der Landwirtschaft
Der Bau der Energieanlagen erfolgte zwischen 2003 und 2006. Das Energiekonzept
besteht aus einer Biogasanlage und einem Holzhackschnitzelheizwerk, die mit land- und
forstwirtschaftlichen Rohstoffen betrieben werden. Ein an die Biogasanlage angeschlossenes
Blockheizkraftwerk produziert Strom und Wärme. Der Strom wird ins öffentliche Netz
eingespeist und deckt theoretisch den Bedarf von 1.200 Haushalten. Die Wärme wird mittels
eines Nahwärmenetzes zur Beheizung und Warmwasserversorgung der Häuser genutzt.
Die Grundlast der Wärmeversorgung in Jühnde wird aus der Abwärme der Biogasanlage
bereitgestellt und deckt den Bedarf zu ca. 60%. Im Winter deckt das Hackschnitzelheizwerk den
zusätzlichen Wärmebedarf der Haushalte.
Kontakt:
Bioenergiedorf eG
Koppelweg 1
37127 Jühnde
www.bioenergiedorf.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Das erste Bioenergiedorf
Jühnde
2322
Die Finanzierung und Umsetzung des Hackschnitzelheizwerks, sowie des Nahwärmenetzes
und der Photovoltaikanlagen erfolgte über die neu gegründete Kommanditgesellschaft
„solarcomplex GmbH & Co. KG Bioenergie Mauenheim“. Die Mauenheimer Bürger konnten
sich mit einer Mindesteinlage von 2.500 € als Kommanditisten an der Betreibergesellschaft
beteiligen. Insgesamt wurden 605.000 € Bürgerkapital gezeichnet. Der Rest wurde über ein
KfW-Darlehen und einen Zuschuss des Landes Baden-Württemberg aus dem Energieholz-
Förderprogramm finanziert. Die Betriebsführung der Energieanlagen und die Vollhaftung obliegt
der solarcomplex GmbH, die hier als Komplementär auftritt.
Zusätzlich zur Finanzierung übernahm die neu gegründete Betreibergesellschaft „solarcomplex
GmbH & Co. KG Bioenergie Mauenheim“ sämtliche Dienstleistungen, die zur erfolgreichen
Abwicklung des Projektes notwendig waren, dazu zählen insbesondere die Wirtschaftlichkeits-
und Steuerberechnungen, die Öffentlichkeitsarbeit und das Aushandeln der Verträge mit den
Projektpartnern.
Übertragbarer Erfolg
Mauenheim besitzt in vielerlei Hinsicht Modellcharakter. Durch das auf den heimischen
Energieträgern basierende Energiekonzept konnten regionale Stoffkreisläufe geschlossen
werden und die Wertschöpfung in der Region gesteigert werden. Die Gründung einer
Kommanditgesellschaft ermöglichte es den Bürgern, sich an der Finanzierung des Konzepts zu
beteiligen und Gewinne zu erwirtschaften.
Interessant ist, dass diese Idee sehr gut auf andere Gemeinden übertragen werden kann. Daher
hat sich das Regionalunternehmen solarcomplex zum Ziel gesetzt, zukünftig
ein Bioenergiedorf pro Jahr zu realisieren. Das nächste Projekt in Lippertsreute
befindet sich bereits in der baulichen Umsetzung, die Inbetriebnahme ist im
September 2008 geplant. Zwei weitere Bioenergiedörfer sind für 2009 in der
Planung.
Zweites Standbein für die Landwirtschaft
Der kleine Ort Mauenheim im Landkreis Tuttlingen ist das erste Bioenergiedorf in
Baden-Württemberg. Die Idee aus Mauenheim ein Bioenergiedorf zu entwickeln
entstand Anfang 2005: Zwei Mauenheimer Landwirte planten zu dieser Zeit
die Errichtung einer Biogasanlage, um sich ein zweites Standbein neben der
Viehzucht und dem Ackerbau aufzubauen. Zur Realisierung ihrer Idee suchten die
Landwirte daher einen Partner, der über entsprechendes Wissen und Erfahrung
verfügt. Diesen Partner fanden sie im Regionalunternehmen solarcomplex,
dessen Ziel es ist, mit Geldern von Bürgen und Firmen aus der Region, den Bodenseeraum mit
regenerativen Energien zu versorgen. Gemeinsam erarbeiteten sie ein Konzept, das neben der
Stromproduktion auch die Nutzung der Abwärme in einem Nahwärmenetz vorsah.
Energiemix als Grundlage
So wurde der kleine Ort Mauenheim das erste Bioenergiedorf in Baden-Württemberg. Seit
dem Herbst 2006 beziehen die Mauenheimer ihren Strom und ihre Wärme weitgehend
aus heimischen erneuerbaren Energieträgern. Die Wärmeversorgung erfolgt über ein
Nahwärmenetz, das von dem Blockheizkraftwerk (BHKW) einer Biogasanlage und einem
Hackschnitzelheizwerk gespeist wird. Außerdem wurden im Rahmen des Gesamtkonzepts auch
mehrere große Photovoltaikanlagen installiert. Der in den Energieanlagen erzeugte Strom wird
ins öffentliche Netz eingespeist und deckt rund den achtfachen Bedarf des gesamten Dorfes.
Gemeinsam finanzieren
Neben dem Energiekonzept stellt auch das Finanzierungskonzept eine Besonderheit dar, denn
ein Großteil der Energieanlagen wurde von Bürgern aus Mauenheim und Umgebung selbst
finanziert. Die beiden Landwirte, die das Projekt initiiert hatten, wurden zu den Eigentümern und
Betreibern der Biogasanlage. Außerdem sind sie die wichtigsten Rohstofflieferanten für diese
Anlage.
Kontakt:
solarcomplex AG
Ekkehardstraße 10
78224 Singen
www.bioenergiedorf-mauenheim.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Das Bioenergiedorf am Bodensee
Mauenheim
24 25
Bildung und Tourismus integrieren
Neben der energetischen Nutzung wird das Gelände der MEL auch für Bildungs- und
Touristikzwecke genutzt. Schon jetzt werden Führungen von der Gemeinde angeboten, in
denen die einzelnen Anlagen besichtigt und erläutert werden. Durch die große Transparenz
sowohl während der Planungs- als auch der Betriebsphase stößt das Projekt auf große
Akzeptanz in der Bevölkerung.
Mit der Entwicklung der „Morbacher Energielandschaft“ ist es der Gemeinde Morbach gelungen
eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Nachnutzung für die Konversionsfläche zu finden
und zu entwickeln. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf rund 35 Millionen €, eine Summe,
die nachhaltig in der Region verbleibt. So konnten in der Morbacher Energielandschaft neue
Arbeitsplätze geschaffen werden und weitere Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft
gesichert werden. Die Gemeinde selbst profitiert von den Pacht- und Gewerbesteuereinnahmen
und baut sich ein weiteres Standbein im Tourismus auf. Auch die Bürger hatten die Möglichkeit
sich finanziell an den Projekten zu beteiligen. Außerdem werden durch den Einsatz
Erneuerbarer Energien in der „Morbacher Energielandschaft“ rund 30.940 t CO2 pro Jahr
eingespart.
Die Entwicklung der „Morbacher Energielandschaft” ist jedoch längst noch nicht abgeschlossen.
Die Gemeinde schmiedet bereits weitere Zukunftspläne: So sollen dort in den nächsten Jahren
weitere Anlagen zur Energieerzeugung sowie ein Informationszentrum errichtet werden.
Innovation durch Konversion
Die Einheitsgemeinde Morbach zählt zu den Modellgemeinden des Landes
Rheinland-Pfalz. Die Ausgangslage für die „Morbacher Energielandschaft“ (MEL)
war eine etwa 145 ha große Waldfläche im Gebiet der Einheitsgemeinde, die von
den US-Luftstreitkräften in der Zeit von 1957-1995 als Munitionsdepot genutzt
wurde. Anschließend fiel das ehemalige Munitionsdepot an die Einheitsgemeinde
zurück. „Eine Fläche, die praktisch nach Folgenutzung rief“, wie Bürgermeister
Gregor Eibes die Situation beschreibt.
Gesamtkonzept statt Einzelanlagen
Inzwischen hat sich die ehemalige Konversionsfläche zu einem Modellprojekt
entwickelt, das weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist. In der
„Morbacher Energielandschaft“ sind verschiedene Techniken zur Nutzung
Erneuerbarer Energien auf engstem Raum verwirklicht und miteinander vernetzt.
Nicht die Realisierung einzelner Anlagen stand im Vordergrund, sondern ein
schlüssiges Gesamtkonzept. Zu den wesentlichen Bausteinen gehören:
• ein Windpark mit einer Gesamtleistung von 28 MW,
• eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 490 kWp,
• eine Biogasanlage mit einer Leistung von 500 kWel
und 700 kWth sowie,
• ein Holzpelletwerk mit einer Kapazität von derzeit 8.000 t Pellets pro Jahr.
Eine Besonderheit stellt auch die Vernetzung der einzelnen Anlagen dar. So wird ein Teil
des Windkraftstroms und die Abwärme der Biogasanlage zum Betrieb des Holzpelletwerks
genutzt. Neben der Nutzung von energetischen Synergieeffekten besteht, insbesondere durch
die Biogasanlage und das Holzpelletwerk, auch eine enge Verzahnung mit der regionalen
Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und dem produzierenden Gewerbe.
Kontakt:
Gemeindverwaltung Morbach
Bahnhofstr. 19
54497 Morbach
www.morbach.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Die Morbacher Energielandschaft
Morbach
26 27
Energie über die Region hinaus
Heute ist Ostritz eine „Energie-ökologische Modellstadt“, die mehr Wärme und Strom
aus Erneuerbaren Energien produziert als sie selbst verbraucht. Die Basis bilden ein
Biomasseheizkraftwerk, ein Windpark, mehrere Photovoltaik- und Solarthermieanlagen
und ein wieder in Betrieb genommenes Wasserkraftwerk. Darüber hinaus entstand im
Klosterstift das „Internationale Begegnungszentrum St. Marienthal“ (IBZ), das mit seinem
grenzüberschreitenden Programm in den Bereichen Bildung und Begegnung, Natur- und
Umweltschutz, Regionalentwicklung sowie Glaube im Gespräch mehrere 10.000 Besucher pro
Jahr anzieht.
Erfolg wird zum Selbstläufer
Aufbauend auf den vorhandenen natürlichen Ressourcen ist es der Stadt Ostritz gelungen, eine
neue nachhaltige Infrastruktur aufzubauen und die Umwelt- und Lebensqualität entsprechend
zu verbessern - die Luft ist sauberer, die Neiße klarer und die Wälder grüner. Durch die
Nutzung der heimischen Ressourcen für die Energieversorgung verbleibt die Wertschöpfung
in der Region. Darüber hinaus hat sich das Kloster St. Marienthal zu einem attraktiven
Begegnungszentrum und zu einem Ort des Austausches und der Erholung entwickelt und damit
weitere positive Effekte, insbesondere im Kultur- und Tourismusbereich, ausgelöst. Allein auf
dem Klostergelände wurden mehr als 50 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Zunächst aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus geboren und anfangs durch den
Stadtrat und die Verwaltung auf den Weg gebracht hat sich das Projekt inzwischen zum
Selbstläufer entwickelt. Das Internationale Begegnungszentrum entwickelt stetig neue Projekte
und fungiert so als Entwicklungsmotor in der Region.
Die Bürger der Stadt Ostritz haben das Konzept längst verinnerlicht und unterstützen es
mit vielen kleinen und großen Initiativen. So ist mit dem Modellstadtprojekt auch wieder die
Hoffnung auf eine neue wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Ostritz und des Klosters St.
Marienthal eingekehrt.
Wirtschaftlicher Umbruch
Die Stadt Ostritz - St. Marienthal liegt im Dreiländereck Deutschland - Polen
- Tschechien zwischen Zittau und Görlitz. Noch bis in die 1980er Jahre hinein
war die Stadt Ostritz durch die ansässige Textilindustrie und die umliegenden
Braunkohlekraftwerke geprägt. Die Bezeichnung der Region als „Schwarzes
Dreieck“ spiegelte die damit einhergehende Umweltverschmutzung treffend
wieder.
Die politische Wende und die deutsche Einheit brachten dann den Niedergang
für viele Industriebetriebe. Viele Menschen verloren ihren Arbeitsplatz und insbesondere junge
Menschen wanderten aus der Region ab. Auch das über 770 Jahre alte Zisterzienserkloster,
das Wahrzeichen der Stadt, musste sich neu orientieren. Vor diesem Hintergrund entstand
die Idee der „Energie-ökologischen Modellstadt“. Der Grundgedanke war, die heimischen
Ressourcen wieder zu nutzen, regionale Wirtschafts- und Stoffkreisläufe zu schließen und
die Stadt umweltfreundlich mit Energie zu versorgen. Dazu standen folgende Potenziale zur
Verfügung:
• die Wasserkraft der Lausitzer Neiße
• der beständige böhmische Binnenwind
• die Sonnenenergie, die auch für den östlichsten Weinberg Deutschlands ausreichend
Kraft hat und
• die Biomasse aus der umgebenden Land- und Forstwirtschaft
Integration kultureller Werte
Auch die institutionellen und kulturellen Ressourcen sollten gebündelt werden. So war es für
die Stadt naheliegend, das Kloster St. Marienthal mit seinen Liegenschaften, den Bewohnern
und seinem unschätzbaren kulturellen Wert für die Region in das Konzept der „Energie-
ökologischen Modellstadt“ mit einzubinden. Neben der praktische Demonstration innovativer
Umwelttechnologie, d.h. dem Bau von Modellanlagen insbesondere im Bereich Erneuerbare
Energien, sollte auch ein attraktives Bildungs- und Kulturprogramm entwickelt werden und das
touristische Potenzial weiter ausgebaut werden.
Kontakt:
Stadtverwaltung Ostritz
Markt 1
02899 Ostritz
www.ostritz.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Vom „Schwarzen Dreieck” zur Energie-ökologischen Modellstadt
Ostritz-St.Marienthal
28 29
Innovative Ver- und Entsorgungskonzepte
Neben der Versorgung durch das Biomasseheizkraftwerk wurden vielfältige Technologien zur
Energieeinsparung und - erzeugung in das Konzept integriert, z.B.
• großflächige Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Gebäude und an den Fassaden
• eine großflächige Solarthermieanlage auf dem Dach des „Zentralen Neubaus“, deren
Wärmeenergie je nach Jahreszeit für die Erwärmung des Duschwassers, die Unterstützung
des Heizungssystems oder den Betrieb einer Adsorptionskältemaschine genutzt wird
• eine zentrale Lüftungsanlage mit integrierter Wärmerückgewinnung und Vortemperierung
der Luft durch Erdkollektoren
• eine „transparente Wärmedämmung“ im „Zentralen Neubau“
• eine energiesparende Beleuchtungstechnik in allen Gebäuden der Fachhochschule
• die Regenwasserbewirtschaftung (das gesamte Regenwasser wird auf dem Gelände
versickert oder zur Toilettenspülung und Kühlung genutzt)
• wassersparende Armaturen (z.B. wasserlose Urinale) in den Sanitärräumen zur Minimierung
des Wasserverbrauchs
• energieeffiziente Wohnheime im Niedrigenergie- und Passivhausstandard
Auch für die Zukunft sind zahlreiche weitere Maßnahmen geplant: So sollen die Ost- und
Westdächer (die den größten Flächenanteil darstellen) mit Photovoltaik-Dünnschicht-Modulen
belegt und das Abwasser des Campus gemeinsam mit den am Campus anfallenden Bioabfällen
direkt auf dem Gelände des Campus verwertet werden.
Nicht umsonst wurde der Umwelt-Campus Birkenfeld im Rahmen der Standortinitiative
„Deutschland – Land der Ideen“ als „Ausgewählter Ort 2008“ ernannt.
Vom Lazarett zur Hochschule
Der am Rande des Naturparks Saar-Hunsrück gelegene Umwelt-Campus
Birkenfeld (ein Außenstandort der Fachhochschule Trier) ist eines der
erfolgreichsten Konversionsprojekte in Rheinland-Pfalz. Er wurde auf dem
Gelände eines ehemaligen Militärlazaretts errichtet und basiert auf dem aus
amerikanischen Hochschulen bekannten „Residential-Campus“-Konzept, das
Leben, Lernen und Arbeiten an einem Ort vereint.
Mit seinen mehr als 2.000 Studierenden und 500 Wohnheimplätzen bildet
der Campus selbst schon „ein kleines Dorf”. In seiner erst jungen Geschichte
hat der Umwelt-Campus Birkenfeld seinem Namen bereits alle Ehre gemacht
und sich zu einem Vorzeigeobjekt weit über die Grenzen von Rheinland-Pfalz
hinaus entwickelt. Mit einem innovativen Energiekonzept stellt der Campus ein
praktisches Beispiel für die nachhaltige Entwicklung einer Konversionsfläche und
ein Vorbild für die Studierenden dar.
Optimierte Stoffströme
Schon bei der Konzeption des Campus stand das Ziel optimierter Stoffströme im
Vordergrund. Auch wenn eine Campus nicht direkt mit einer Gemeinde verglichen
werden kann, können hier doch vielfältige Ver- und Entsorgungskonzepte
entwickelt und getestet werden.
Bereits heute ist ein großer Teil der Idee eines „Zero-Emission-Campus“
umgesetzt. So versorgt das benachbarte Biomasseheizkraftwerk den Campus
CO2-neutral mit Strom und Wärme aus Holzhackschnitzel und Biogas. Darüber
hinaus wurden beim Umbau der ehemaligen Lazarettgebäude und bei den
Neubauten vorwiegend ökologische Baumaterialien eingesetzt.
Kontakt:
Umwelt-Campus Birkenfeld IfaS
Postfach 1380
55761 Birkenfeld
www.umwelt-campus.de
ProjektbeispieleProjektbeispiele
Null-Emissions-Campus
Umwelt-Campus Birkenfeld
3130
Vielfältige Umsetzung
Bereits während der Erstellung der Studie wurde mit der Umsetzung der ersten Projekte
begonnen. Bis heute sind u.a. folgende Maßnahmen realisiert:
• 5 Windkraftanlagen (5 x 2 MW)
• 4 Nahwärmenetze (für mehr als 350 Wohneinheiten) auf Biomassebasis
• mehr als 50 Kleinfeuerungen (Pellets, Holzhackschnitzel, Scheitholz) in privaten Haushalten
• über 100 PV-Anlagen mit einer Leistung von ca. 650 kWp
• 250 Solarthermieanlagen mit einer Kollektorfläche von über 2200 m²
• energetische Sanierung aller Grundschulen mit einer durchschnittlichen
Heizenergie-Einsparung von 50%
Bis heute wurden durch diese und weitere Maßnahmen mehr als 25 Millionen € in der
Verbandsgemeinde investiert.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
Aufbauend auf den bisherigen Erfolgen, verfolgt die Verbandsgemeinde Weilerbach einen
kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Dies bedeutet, nicht die kurzfristigen Erfolge stehen im
Vordergrund, sondern die ständige und dauerhafte Optimierung der Stoffströme hin zum Ziel
„Zero-Emission“. Dies zeigt auch die Planung zahlreicher weiterer, aufeinander abgestimmter
Projekte wie z.B. die Überprüfung einer Biogasanlage, die Planung weiterer Nahwärmenetze
oder die Ausweitung der Photovoltaiknutzung. Begleitet werden diese Planungen durch
zahlreiche Einzelinitiativen bis hin zu Existenzgründungen wie z.B. die Gründung eines
Bioenergiehofs zur Energiebereitstellung aus Forst- und Landwirtschaft. Das Projekt „Zero-
Emission-Village Weilerbach” ist daher mehr als nur die Summe verschiedener Einzelprojekte.
Vielmehr ist es ein ganzheitliches, langfristiges Konzept zur optimierten Nutzung aller
Ressourcen innerhalb einer Region.
Der Erfolg des Konzepts zeigt sich in der Übertragung der Idee auf den Landkreis
Kaiserslautern, in der Teilnahme an verschiedenen EU-Projekten und an verschiedenen
Auszeichnungen.
Wertschöpfung und Klimaschutz
Global denken, lokal handeln - dieser Leitgedanke der nachhaltigen Entwicklung
war einer der Auslöser für das Projekt „Zero-Emission-Village Weilerbach“
(ZEV). Die westpfälzische Verbandsgemeinde (VG) Weilerbach entwickelte
gemeinsam mit dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) und
der Landeszentrale für Umweltaufklärung (LZU) des Ministeriums für Umwelt
und Forsten Rheinland-Pfalz (MUF) im Jahr 2001 die Idee einer möglichst CO2-
neutralen Energieversorgung für die gesamte Verbandsgemeinde Weilerbach.
Durch die Optimierung der Stoffströme in der Region und die effiziente Nutzung regionaler
Ressourcen sollte so nicht nur ein Beitrag zum globalen Klimaschutz erfolgen, sondern
gleichzeitig auch eine Erhöhung der Wertschöpfung in der Region realisiert werden.
100% sind möglich
Die vom März 2001 bis Juni 2003 durch das IfaS durchgeführte Projektstudie zeigte, dass
eine CO2-neutrale, 100% regenerative Versorgung der 14.700 Einwohner (6.850 Haushalte)
der Verbandsgemeinde durch die regenerativen Energiepotenziale der Region und durch
die ermittelten Potenziale zur Energieeinsparung möglich ist. Bereits während der Studie
wurde daher mit der praktischen Umsetzung begonnen. Unterstützt durch eine intensive
Öffentlichkeitsarbeit und durch die Vernetzung der regionalen Akteure (Verbandsgemeinde,
Energieversorger, Landwirte, Privatpersonen, etc.) wurden so seit Projektbeginn im Jahr 2001
vielfältige Projekte entwickelt und umgesetzt.
Kontakt:
Verbandsgemeinde Weilerbach
Rummelstraße 15
67685 Weilerbach
www.weilerbach.de
Projektbeispiele
Verbandsgemeinde Weilerbach
Projektbeispiele
Zero-Emission-Village
3332
Die Umsetzung eines regionalen Stoffstrommanagements ist durch die Komplexität eine
Herausforderung für alle Projektbeteiligten. Durch eine Strukturierung und Unterteilung kann
jedoch auch ein Stoffstrommanagement-Projekt wie jedes andere Projekt in überschaubare
Schritte unterteilt und umgesetzt werden.
Grob können unter dem Dach des Stoffstrommanagements die folgenden Bausteine
unterschieden werden:
• Die Leitbilder, Grundsätze und übergeordneten Ziele bilden den Rahmen für das gesamte
Stoffstrommanagement-Projekt; in der Regel sind diese Leitbilder von den grundsätzlichen
Gedanken der Nachhaltigkeit und von Konzepten wie z.B. der Kreislaufwirtschaft („Circular
Economy“) abgeleitet.
• Die Stoffstrommanagement-Masterpläne bilden den zentralen Baustein im
Stoffstrommanagement. Sie verknüpfen die allgemeinen Vorgaben der Leitbilder und
Ziele mit der Situation vor Ort und entwickeln daraus konkrete Projekte. Der Masterplan
ordnet hierbei die Planungen in ihrer zeitlichen Dringlichkeit und zeigt die kurz-, mittel- und
langfristigen Planungshorizonte auf. Ebenso werden alle wesentlichen Erkenntnisse und
Planungen zusammengefasst und aufbereitet.
• Auf Basis der Masterpläne erfolgt die konkrete Projektumsetzung. Ausgehend von den in
den Masterplänen entwickelten Projektideen werden Machbarkeitsstudien sowie konkrete
Geschäftspläne erstellt und Finanzierungsoptionen geprüft.
• Die Masterpläne müssen mittels Szenarien und Sensitivitätsanalysen Systemveränderungen
vorhersagen. Um eine langfristige und dauerhafte Verbesserung sicherzustellen, muss die
Erreichung der Ziele regelmäßig überprüft werden. Die Masterpläne werden kontinuierlich an
die sich ändernden Rahmenbedingungen angepasst.
Das abgebildete Managementmodell zeigt die einzelnen Bausteine noch einmal im
Zusammenhang und stellt vereinfacht den Ablauf des Stoffstrommanagements dar.
Beispiele für die einzelnen Bausteine finden sich viele: Eine Auswahl von Grundsätzen
finden Sie am Ende des Kapitels „Stoffstrommanagement”. Zahlreiche weitere Grundsätze
und Leitbilder wurden im Rahmen von Lokale-Agenda-21-Prozessen entwickelt oder z.B.
durch die Enquête-Komission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des deutschen
Bundestages veröffentlicht. Die Erstellung von Masterplänen war die Grundlage für viele der
im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Projektbeispiele (z.B. Weilerbach, Morbach etc.).
Aufbauend auf den Masterplänen wurden in diesen Gemeinden bereits eine Vielzahl von
Einzelprojekten umgesetzt und neue Projektideen entwickelt.
LeitfadenLeitfaden
Von der Vision zum Geschäftsplan
Überblick
3534
Alle wesentlichen Schritte
Masterpläne bilden das zentrale Planungsinstrument in einem Stoffstrommanagement-Projekt.
Die Erstellung der Masterpläne umfasst alle wesentlichen Schritte von der Analyse und
Bewertung bis hin zur strategischen und operativen Planung. Der Weg zur Erstellung und
Fortschreibung der Masterpläne ist daher auch der Kern des tatsächlichen „Managements“.
Der Plan selbst ist die Zusammenfassung und Dokumentation aller Erkenntnisse, sowie der
geplanten Maßnahmen und Zeitschienen.
Beantwortung zentraler Fragen
Unabhängig von den Schwerpunkten und der genauen Ausgestaltung der Inhalte soll ein
Masterplan Antworten auf die zentralen Fragestellungen in einem Stoffstrommanagement-
Projekt beinhalten. Hierzu zählen insbesondere die folgenden Fragestellungen:
• Was soll erreicht werden?
• Wie ist die Ausgangssituation?
• Welche Potenziale stehen zur Verfügung?
• Welcher Bedarf muss gedeckt werden?
• Was sind die wesentlichen Stoffströme im betrachteten Gebiet und wie fließen diese?
• Welche Akteure müssen einbezogen werden?
• Welche Methoden, Technologien und Konzepte stehen zur Optimierung zur Verfügung?
• Wie können diese Methoden, Technologien und Konzepte auf die Situation vor Ort angepasst und angewandt werden?
• Wie sind die ökonomischen Rahmenbedingungen?
• Welche Finanzierungsmöglichkeiten können eingesetzt werden?
• In welchen Zeiträumen wird gehandelt?
• Wie findet die Umsetzung statt?
• Wie können für die regionalen Akteure Anreize zur Umsetzung geschaffen werden?
• Wie wird die Erreichung der Ziele kontrolliert?
• Wie findet eine kontinuierliche Weiterentwicklung statt?
Welcher Umfang?
Soll ein Stoffstrommanagement-Masterplan erstellt werden, ist eine der ersten
Fragen: „Wie umfangreich soll die Untersuchung sein?“. Der ganzheitliche Ansatz des
Stoffstrommanagements erfordert es, Prozesse und Stoffströme über die klassischen Grenzen
hinaus zu betrachten. Es genügt daher z.B. nicht, einseitig die Frage der Abwasserbehandlung
zu betrachten und die damit verknüpften Energie- und Nährstoffströme auszublenden.
Andererseits stellt sich die Frage, wo denn die Grenze gezogen werden muss. Die tatsächlichen
und zukünftig möglichen Verknüpfungen zwischen verschiedenen Stoffströmen sind nahezu
unbegrenzt. Um den Untersuchungsrahmen jedoch sowohl organisatorisch handhabbar als
auch finanzierbar zu machen, müssen Eingrenzungen getroffen werden. Diese Eingrenzungen
erfolgen sowohl räumlich als auch inhaltlich (bezogen auf die untersuchten Stoffströme).
Wer macht was?
Neben der inhaltlichen Frage stellt sich auch die Frage der „Zuständigkeit“, d.h. wer erstellt die
Masterpläne?
Abhängig von der jeweiligen Zielsetzung können die unterschiedlichen räumlichen Ebenen
bzw. Organisationseinheiten (Region, Landkreis, Kommune) auf ihre jeweilige Ausgangslage
zugeschnittene Masterpläne erstellen. Diese Masterpläne sollten sowohl zwischen den
über- bzw. untergeordneten Ebenen als auch zwischen den benachbarten Kommunen und
Kreisen kooperativ abgestimmt werden. Der Detaillierungsgrad der Pläne nimmt nach unten hin
zu, d.h. je kleiner die Betrachtungsebene, umso stärker ist der konkrete Bezug zu konkreten
Maßnahmen und zur Projektplanung.
LeitfadenLeitfaden
Mehr als nur ein Plan
Masterpläne
3736
Umsetzung als Gesamtkonzept
Ist das Ziel des Projekts die Erarbeitung und Umsetzung eines umfassenden Gesamtkonzepts,
wird in der Regel vor und z.T. parallel zur Planung einzelner Maßnahmen (z.B. Bau einer
Photovoltaikanlage) eine umfangreiche Ermittlung der verfügbaren Potenziale, des Bedarfs,
möglicher Technologien, einzubindender Akteure und verfügbarer Finanzierungsmöglichkeiten
erfolgen. Hierauf aufbauend wird dann eine Projektstrategie festgelegt, der die einzelnen
Maßnahmen untergeordnet werden.
Der kurz-, mittel- und langfristige Planungsrahmen der Strategie ermöglicht die koordinierte
Abarbeitung der Maßnahmen und gibt den beteiligten Akteuren eine Planungsgrundlage für
zukünftige Entscheidungen. Durch die Festlegung der Strategie können z.B. auch gegenläufige
Planungen und Konkurrenzen um einzelne Stoffströme verringert werden. Insbesondere
im Bereich der Biomassenutzung zeigt sich mehr und mehr die Notwendigkeit solch einer
koordinierenden Strategie.
Beispiele zu einem solchen Vorgehen finden Sie u.a. bei der „Morbacher Energielandschaft”
oder dem Projekt „Zero-Emission-Village“ in der Verbandsgemeinde Weilerbach.
Schrittweise Umsetzung durch Einzelmaßnahmen
Die Planung und Umsetzung eines Gesamtkonzepts erfordert in der Regel einen hohen Einsatz
an personellen und finanziellen Ressourcen. Je nach Projektziel ist ein solcher Aufwand nur
schwer zu rechtfertigen bzw. nicht realisierbar.
In diesem Fall kann nach der Projektentwicklung auch eine schrittweise Umsetzung der
einzelnen Maßnahmen erfolgen. Die Phase der strategischen Planung findet hierbei nur in
verkürzter Form statt. Die Ermittlung der Potenziale, des Verbrauchs etc. wird anhand grober
Abschätzungen durchgeführt. Aufbauend auf diesen Abschätzungen werden die entwickelten
Projektideen aufeinander abgestimmt, bewertet und z.B. in einer Projektliste mit Prioritäten
versehen. Auch hierdurch wird eine, wenn auch verkürzte, Strategie entwickelt.
Die detaillierte Datenermittlung erfolgt dann spezifisch für die einzelnen Anlagen im Rahmen der
operativen Planung in den jeweiligen Machbarkeitsstudien.
Ein solches Vorgehen ermöglicht, die Planungen an die personellen und finanziellen
Ressourcen anzupassen und schrittweise zu erweitern. Es besteht jedoch die Gefahr, dass
hierdurch Synergieeffekte durch die Kombination von Stoffströmen und Anlagen übersehen
oder nicht genutzt werden können bzw. dass durch die groben Abschätzungen Fehler bei der
Beurteilung von Projektideen entstehen.
LeitfadenLeitfaden
Gesamtkonzepte vs. Einzelpläne
Verschiedene Varianten
3938
Die Grenzen zwischen einer schrittweisen Umsetzung und der Erstellung eines
Gesamtkonzeptes sind fließend. Oftmals findet man auch innerhalb eines Projektes
Handlungsbereiche (z.B. Energie), welche umfassend im Rahmen eines Gesamtkonzeptes
behandelt werden, während andere Handlungsbereiche nur grob skizziert sind bzw. erst nach
und nach vertiefend behandelt werden.
Allein aufgrund der Vielfalt der Handlungsbereiche muss schon eine Einschränkung zugunsten
der Handhabbarkeit eines solchen Projektes erfolgen. Der Umfang eines solchen Projektes
muss den eigenen Handlungsmöglichkeiten angepasst werden, wenn das Projekt erfolgreich
umgesetzt werden soll. Wichtig hierbei ist jedoch, dass unabhängig von der Art der Umsetzung
(schrittweise/ Gesamtkonzept) eine Beurteilung der Stoffströme hinsichtlich ihrer Relevanz und
ihrer Verknüpfung untereinander stattfindet.
Allgemein lässt sich sagen, dass der Anteil der übergeordneten, strategischen Planung mit
der Größe des Betrachtungsraumes steigt. So liegt z.B. bei der Betrachtung einer ganzen
Region der Schwerpunkt stärker in der strategischen Ebene, während auf Gemeindeebene die
Projektplanung zur Umsetzung konkreter Maßnahmen überwiegt. Im Optimalfall ergänzt sich
eine übergeordnete Strategie auf regionaler Ebene mit den konkretisierenden Planungen und
Detailstrategien auf der Kreis- und Gemeindeebene.
Die wesentlichen Schritte im Überblick:
• Systemdefinition: Welcher Raum wird betrachtet (eine oder mehrere Gemeinden, Kreis,
Gewerbegebiet etc.)?
• Analysen
Welche Mengen fließen?
Welche relativen Mengen fließen (pro Zeiteinheit, pro Stück, pro m2 etc.)?
Wo sind die Quellen, wo die Senken?
Was löst die Stoffströme aus?
Welche Qualität haben die Stoff- und Energieströme (Energiegehalt, Schadstoffbelastung, Temperaturniveau etc.)?
Welche Auswirkungen haben die Stoff- und Energieflüsse (Klimawirkung etc.)?
Wie wird das System belastet (z.B. durch Kosten)?
Welche Akteure beeinflussen die Stoffströme?
Welche Ziele verfolgen die Akteure ("Förderer" / "Hinderer")?
• Planung("ChangeManagement")
Brainstorming mit den Akteuren zur Entwicklung von Projektideen (z.B. PV-Anlage, Gebäudesanierung, Klärschlammtrocknung, Bürgerberatung etc.)
erste Bewertung der Projektideen und Erstellen einer Prioritätenliste, Weiterentwicklung der Ideen zu Projektskizzen
Überprüfung der Machbarkeit (technisch / wirtschaftlich)
Entwicklung von Zeitplänen (kurz-, mittel- und langfristige Umsetzung)
Erstellung von Geschäftsplänen / Umsetzungskonzepten
Zusammenfassen der Ergebnisse in einem Masterplan
• Umsetzung (z.T. bereits parallel zur Planung)
• Kontrolleund Weiterentwicklung
Werden die Ziele erreicht?
Haben sich die Rahmenbedingungen geändert?
Gibt es neue Technologien / Konzepte?
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
LeitfadenLeitfaden
Gesamtkonzepte vs. Einzelpläne
Fließende Übergängeim regionalen Stoffstrommanagement
Vorgehen
4140
Bezugsquelle
Sie erhalten die „Informationsplattform Regionales Stoffstrommanagement” bei folgender Adresse:
Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS)
Fachhochschule Trier / Umwelt-Campus Birkenfeld
Postfach 1380
55761 Birkenfeld
Tel.: +49 (0) 6782 / 17-1221
Fax.: +49 (0) 6782 / 17-1264
E-Mail: ifas@umwelt-campus.de
Schutzgebühr CD-ROM: 45,- Euro
Schutzgebühr Broschüre: 10,- Euro
Zur Wiedergabe der Inhalte benötigen Sie einen PC mit CD-ROM-Laufwerk und
einen Browser der aktuellen Generation (Internet Explorer ab 7.0, Firefox. ab 2.0)
mit ADOBE® FLASH® PLAYER.
Technische Umsetzung
Die technische Umsetzung der Informationsplattform erfolgte durch:
ifuInstitut für Umweltinformatik GmbHGroße Bergstraße 21922767 HamburgE-Mail: info@ifu.comwww.ifu.com · www.umberto.de · www.sabento.com · www.e-sankey.com
Wir möchten uns auf diesem Weg bei unserem Projektpartner, der ifu Hamburg GmbH, für
die hervorragende und unkomplizierte Unterstützung bei der technischen Umsetzung der
Informationsplattform sowie für die zahlreichen konzeptionellen Anregungen bedanken.
Die multi-mediale „Informationsplattform Regionales Stoffstrommanagement“ auf CD-ROM
gliedert sich in vier Module:
• Im Bereich der Lernplattform haben Sie die Möglichkeit, sich über die Ideen, Konzepte und
theoretischen Hintergründe zu informieren. Neben einem Einführungsfilm finden Sie hier
sowohl Textbeiträge als auch multimedial aufbereitete Informationen.
• Die Projektbeispiele verdeutlichen anhand unterschiedlicher Regionen und
Gebietskörperschaften die Möglichkeiten ganzheitlicher, vernetzter Projektansätze von der
Projektidee bis zu der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen.
• Unter „Technologien & Konzepte" finden Sie zahlreiche Anregungen, z.B. zu technischen
Lösungen, Organisationsformen oder Finanzierungsmöglichkeiten, welche Sie als
gedankliche Bausteine für die Entwicklung Ihres eigenen Projekts heranziehen können.
• Der Leitfaden unterstützt Sie Schritt für Schritt bei der Konzeption und Durchführung eines
Stoffstrommanagement-Projekts in Ihrer Region. Ergänzende Hilfsmittel erleichtern hierbei
die Arbeit und verringern den Vorbereitungsaufwand für ein solches Projekt.
4342
Ausführliche Infos auf CD-ROM
Weitere Informationen
Die Informationsplattform
Herausgeber: Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS)
Fachhochschule Trier / Umwelt-Campus Birkenfeld
Postfach 1380
55761 Birkenfeld
Tel.: +49 (0) 6782 / 17-1221
E-Mail: ifas@umwelt-campus.de
WissenschaftlicheLeitung: Prof. Dr. Peter Heck
Redaktion: Björn Becker, Kerstin Felten
Grafik und Layout: Björn Becker, Roberto Weichelt (IfaS)
Patrick Hardt ( , Trier)
TexteundBilder: IfaS sowie alle beschriebenen Gemeinden,
Unternehmen und Kooperationspartner
Stand: 1. Auflage (pdf-Version, 1.01), Oktober 2008
Für die in der Broschüre zur Verfügung gestellten Informationen und daraus abgeleiteten
Handlungen wird keine Haftung übernommen.
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des
Herausgebers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung,
Mikroverfilmung sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Copyright: Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS), Birkenfeld 2008
Das Projekt wurde gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
44
Impressum