Post on 05-Apr-2015
FB+E Forschung, Beratung + Evaluation GmbH, Berlin
Dr. Wolf Kirschner
Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen
Bedarf, Ziele, Möglichkeiten, Projektansätze, Ergebnisse und Konsequenzen für die Zukunft
Präsentation Fit for Work3. Tagung des DNBGF-Forums
„Arbeitsmarktintegration und Gesundheitsförderung“Essen, 25. September 2006
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Bedarf
Der Bedarf einer Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen ergibt sich aus den Ergebnissen der nationalen und internationalen sozialepidemiologischen Forschung, die zeigen, dass:
Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit mit
erhöhter Morbidität und höherer Exposition mit Gesundheitsrisiken verbunden ist
es einen Zusammenhang zwischen der Dauer der Arbeitslosigkeit und dem Spektrum und Schweregrad von Morbidität gibt
und dass Langzeitarbeitslosigkeit sogar zu erhöhter Frühsterblichkeit führt.
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Bedarf
Arbeitslosigkeit führt zur steigender Inzidenz von Krankheit und zur Progression bestehender Krankheit.
Betroffen sind alle Krankheitsbereiche.
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Mor
bidi
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Morbidität Krankheiten in den letzten 12 Monaten (mind. 1 Mal)
57,4%52,9%
37,8%34,6% 31,9% 29,8% 27,9%
19,4% 17,6%
42,0%
33,0%
21,7% 20,5% 19,3% 17,8%10,7%
14,7% 13,3%
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Arbeitslose n= 376 Bevölkerung n=4275
Quellen: Bevölkerungsrepräsentative Untersuchung FB+E 1997 / Arbeitslosenbefragung: To Befragung im Projekt Job-Fit Regional (2006); Die Bevölkerungsdaten wurden nach Geschlecht und Alter auf die Struktur der Arbeitslosen gewichtet.
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Prioritäre Krankheitsgruppen Prävalenzunterschiede
19,9%
17,2%16,1% 15,4%
14,1%12,6% 12,0%
4,7% 4,3%
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Prioritäre Krankheitsgruppen
Die erhöhte Prävalenz erstreckt sich signifikant über alle Krankheitsobergruppen, im oberen Bereich liegen auch die psychischen Krankheiten und Beschwerden, die bei der Gesundheitsförderung von Arbeitslosen häufig besondere Aufmerksamkeit erhalten. Die Konzentration allein auf diesen Krankheitsbereich ist aber nicht gerechtfertigt.
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Folgen
Folgen der erhöhten Morbidität und der steigenden Exposition mit Gesundheitsrisiken
● zunehmende Arbeitsunfähigkeit● stationäre Behandlungen● Suchterkrankungen● Funktionseinschränkungen● abnehmende Leistungsfähigkeit
Sinkende Beschäftigungsfähigkeit
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Ziele
●Stabilisierung des Gesundheitszustandes●Verbesserung des Gesundheitszustandes●Abbau von gesundheitlichen Risiken●Stärkung von gesundheitlichen Ressourcen
Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit
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Interventive Möglichkeiten
So evident der Zusammenhang in der deskriptivensozialepidemiologischen Forschung zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit auch ist, so gering ist unser epidemiologisches Wissen über die hier vorliegenden ursächlichen Faktoren und Wirkmechanismen. Hier besteht dringender Forschungsbedarf.
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Interventive Möglichkeiten
Da wir die Risikofaktoren und protektiven Faktoren, die imZusammenspiel ggf. zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen, nicht genau genug kennen, können Interventionsmaßnahmen (d.h. Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention) nicht nach Kausalität, sondern nur nach Plausibilität geplant und implementiert werden.
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Interventive Möglichkeiten
Dieser Tatbestand:
●steht in Widerspruch zu den Förderungsvoraussetzungen von Maßnahmen nach §20 SGB V, die den ex-ante Nachweis von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit erfordern
●sollte zu einer rigorosen und qualitativ überzeugenden Evaluation entsprechender Maßnahmen führen.
Maßnahmen der Gesundheitsförderung sind im epidemiologisch-interventiven Sinne keine
Programme, sondern Experimente.
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Arbeitsmarktpolitische
Möglichkeiten und Erfolgaussichten
Von den ca. 5 Millionen (offiziellen) Arbeitslosen in Deutschland weisen ca. 20% (= 1 Million) z. T. schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen auf. 4 Millionen Arbeitslose ohne (erkennbare oder erhebliche) gesundheitliche Einschränkungen erhalten unter den gegebenen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten dennoch keine Arbeit.
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Arbeitsmarktpolitische Möglichkeiten und Erfolgaussichten
Rational ist eine Gesundheitsförderung so nur mit einerLangzeitperspektive unter der Voraussetzung:
● zunehmender Vollbeschäftigung beginnend in Teilarbeitsmärkten
● demographisch bedingtem sinkenden Arbeitskräftevolumen
● und dadurch bedingter Notwendigkeit der Nutzung der Arbeitskraft gerade älterer und auch kranker Menschen
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Arbeitsmarktpolitische Möglichkeiten und Erfolgaussichten
Dieser Tatbestand sollte:
●zu mehr Realismus und Rationalität in der Bewertung der Erfolgsaussichten von Maßnahmen der Gesundheitsförderung hinsichtlich ihrer Beschäftigungswirkungen führen.
Derzeit kann die erhöhte Beschäftigungsfähigkeit kein alleiniges und nicht das prioritäre Beurteilungs- und
Evaluationskriterium sein.
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Projektansätze
In einem Gutachten für den BKK Bundesverband im Jahr 2003 haben wir international und national insgesamt 51 Projekte der Beschäftigungsförderung von Arbeitslosen recherchiert, die zunächst auch gesundheitsbezogene Aspekte (gesundheitliche Beratung, Gesundheitsinformationen, Gesundheitsförderung) zu beinhalten schienen.
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Projektansätze
51recherchierte
Projekte
15 unzureichend dokumentiert
36 evaluierte Projekte
22 auchgesundheitsfördernd
14 nurbeschäftigungsfördernd
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Projektansätze 22 auch
gesundheitsförderndeProjekte
10 nicht hinreichend evaluierbar
12 übrig bleibende Projekte
6 andere Bereiche (keine weitere
Analyse)
6 Bereich Mental Health
3 Hinweise auf Wirksamkeit
3 keine Wirksamkeit
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Projektansätze
Dies ist eine ernüchternde Bilanz mit Blick auf die Qualität von Publikationen, Dokumentationen und Evaluationen von Maßnahmen der Beschäftigungs- und Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen.
Fazit: Wir haben bisher nur wenig wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit geschweige denn Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen.
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Konsequenz
Die Maßnahmen müssen im guten Sinne von Experimentenausgebaut und verstetigt werden. Dabei muss auf eine qualitativ hochwertige Evaluation mit möglichst identischen Evaluationsinstrumenten geachtet werden.
Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen benötigen Rechtsgrundlagen und das Durchführungsinteresse von Institutionen. § 20 SGB V stellt eine wesentliche Rechtsgrundlage dar. Auf dieser basiert auch das Vorhaben Job Fit regional, von dem wir gleich hören werden. Im Zuge des geplanten Präventionsgesetzes sollte darauf geachtet werden, diesen Interventionsweg zu verbessern und zu erleichtern.
FB
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Konsequenz
Das Projekt AmigA, von dem später die Rede sein wird, überschreitet den Rahmen der Gesundheitsförderung und Prävention und ist zusätzlich therapeutisch und rehabilitativ orientiert.
FB
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Konsequenz
Alle Strategien der „Gesundheitsförderung“ vonArbeitslosen sollten gezielt weiterentwickelt und in stetig zunehmenden settings auf Wirksamkeit überprüft werden, damit wir in einem überschaubaren Zeitrahmen sagen können:
●wir können Gesundheit sichern und verbessern●wir können Beschäftigungsfähigkeit erhalten und ggf. ausbauen●wir können die Arbeitsmarktchancen deutlich erhöhen
Und diese Aussagen müssen wir belegbar treffen können, wenn die Politik uns diese Frage in nicht ferner Zukunft noch stärker und drängender danach fragt als heute.
FB+E Forschung, Beratung + Evaluation GmbH, Berlin
Dr. Wolf Kirschner
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit