Post on 26-Sep-2019
VON 25 AUF 100 IN FÜNF JAHREN. Wie Peter Bilakglaubhaft versichert, hatte er nie die Absicht, eine der-art umfangreiche Schriftfamilie zu gestalten. Aus klei-nen Anfängen entwickelte sie sich jedoch nach undnach, langsam, aber stetig und einzig unter dem selbstauferlegten Druck, eine Schrift vorzulegen, die denunterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten gerecht wird.Bei der ersten Veröffentlichung 2001 zählte die Fedra-Familie bescheidene 25 Mitglieder, um – nach rundfünfjähriger Arbeit – auf unglaubliche 100 anzuwach-sen. Peter Bilak erklärt die Arbeit an der Fedra nun fürabgeschlossen. Aber wer weiß …?
FEDRA SANSMit den ersten Skizzen begann der in Den Haaglebende Designer und Schriftgestalter Peter Bilakschon 1999. Ursprünglich wurde die Fedra Sans alsHausschrift für die Versicherungsgesellschaft Bayeri-sche Rück entwickelt. Als dann die ersten Versionender Schrift digitalisiert waren, wurde die BayerischeRück von einem anderen Unternehmen übernommenund das gesamte Projekt Fedra eliminiert. Die inves-
tierte Arbeit sollte aber nicht vergebens sein, und soentschloss sich der gebürtige Slowake, die Schrift fer-tigzustellen – und erweiterte sie gleich um weitereSchnitte und Expert-Fonts.
Bereits von Beginn an nahm er darauf Bedacht, dasssich die Schrift nicht nur für den Printbereich, sondernauch für die Darstellung am Bildschirm eignet. PeterBilak: „Die Fedra verbindet auf harmonische Art undWeise vermeintliche Gegensätze der Buchstabenkon-struktion. Denn sie basiert zum einen auf dem Schrei-ben mit der Hand und zum anderen auf dem grobkör-nigen Raster eines Computerscreens. Zusammen mit
der großen x-Höhe trägt diese Kombination dazu bei,dass die Fedra genauso gut am Monitor lesbar ist.“
WIE EIN PHÖNIX AUS DER ASCHEZwischenzeitlich passierte etwas, das andere, wenigerhartnäckige und zielstrebige Menschen sicher an denRand der Verzweiflung gebracht hätte. Unbekanntebrachen in Bilaks Studio in Den Haag ein und stahlenalle Rechner samt Back-ups sowie die komplettenUnterlagen und Daten zur Fedra Sans.
Nach dem ersten verständlichen Schock versuchtePeter Bilak, etwas Positives an dieser Katastrophe zusehen: „Dadurch bekam ich Gelegenheit, Design-entscheidungen, die ich unter der Voraussetzunggetroffen hatte, dass die Fedra ausschließlich von derBayerischen Rück genutzt wird, noch einmal zu über-denken – und das hat der Schrift gutgetan.“
FEDRA SERIFDie besonderen Umstände der Entstehung der FedraSans erklären, warum – entgegen der sonst üblichenVorgehensweise – die Fedra Serif nach der Fertigstel-
lung der Sans entstand. Und obwohlbeide auf denselben Proportionen aufge-baut sind, ist doch die Absicht klarerkennbar, zwei Schriften zu gestalten,die unabhängig voneinander funktionie-ren und nicht nur in der Kombinationmiteinander. Hier sind die beiden Schrif-
ten etwa mit der Gill Sans und der Joanna von Eric Gill(1882–1940) vergleichbar.
Um noch flexibler in der Anwendung zu sein, gibt esdie Serif in zwei Versionen: Fedra Serif A und FedraSerif B. Sie unterscheiden sich in den diversen Ober-und Unterlängen und geringfügig auch im Kontrast.Die Version A eignet sich mit ihrer großen x-Höhe ers-tens besser zur gemeinsamen Anwendung mit der Sansund bietet sich außerdem zweitens durch geringereKontrastunterschiede für die Verwendung in kleinenGraden an. Im Vergleich dazu hat die Version B größereVersalien und Ober- und Unterlängen sowie einen
18 Graphische Revue Österreichs 04/06
DESIGN
» Die Fedra verbindet auf sehr harmonische Art und Weise vermeintliche Gegensätze in der Buchstabenkonstruktion «
Die Abenteuer des Peter Bilak:
FEDRA SANS undFEDRA SERIF
Wenn einer eine Schrift gestaltet, dann kann er was erzählen.
Oder: wie aus einem Einzelkind eine Großfamilie wurde.
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erhöhten Kontrast zwischen dicken und dünnen Stri-chen. Beide Versionen haben jedoch dieselbe Buchsta-benbreite – und auch Kerning-Paare – und können soohne Veränderung des Umbruchs beliebig unterein-ander getauscht werden.
Die Neigung der Buchstaben der Fedra Serif Italic istleicht unterschiedlich – und orientiert sich hier anSchriftformen des Jean Jannon aus dem 17. Jahrhun-dert –, wodurch sie an Dynamik gewinnt. Trotzdemfunktioniert sie ohne Probleme als Auszeichnungs-schrift mit der Roman.
In der OpenType-Pro-Variante unterstützt die FedraSerif über 70 Sprachen – von Griechisch bis Suaheli – mitüber 2000 Glyphen. Das deutet schon die Möglichkeitenaller nur denkbaren mikrotypografischen Gestaltungs-varianten an, wie etwa unterschiedliche Ziffernformen,echte Kapitälchen, alternative Zeichenformen et cetera.Selbst an eine große Anzahl von Pfeilen, Piktogrammen,Ornamenten und sogar mathematischen Zeichen wurdegedacht. Typografenherz, was willst du mehr?
WEITERE MITGLIEDER DER FAMILIEDie ebenfalls zur Fedra-Familie gehörenden FedraSans Display 1 und 2, Fedra Sans Condensed, FedraSerif Display und Fedra Mono seien hier nur noch derVollständigkeit halber erwähnt. Und da ich fürchte,dass ich doch irgendwas vergessen habe, verweise ich die interessierten Leser/-innen auf die Adressewww.typotheque.com. Dort kann man auch die Bro-schüre New Fonts/Used Fonts anfordern, die nebender Fedra auch eine weitere Schrift von Peter Bilak –die Jigsaw – vorstellt.
Der Name der Schriftfamilie Fedra entstand – nachlangen Überlegungen – im Lauf eines Urlaubs auf dergriechischen Insel Kreta. Auf der einen Seite repräsen-tiert der Name eine klare Reverenz an die Vergangen-heit (Phädra war die Tochter von König Minos), diegeänderte Schreibweise vermittelt andererseits das Zeit-gemäße. Eine gute Wahl für eine Schrift, die ihre Inspi-ration aus vielen verschiedenen Perioden bezieht. �
Michael Karner, office@typografie.co.at
19Graphische Revue Österreichs 04/06
PETER BILAK, geboren 1973, Studium an der Akademie derschönen Künste in Pressburg. Anschließend weitere Studien inEngland, den USA und Frankreich. 1999 Gründung des FontlabelsTypotheque. Arbeitet als Grafik- und Type-Designer in Den Haag,Niederlande, lehrt an der Königlichen Kunstakademie in DenHaag und der Kunstakademie in Arnheim.
FEDRA SANS FEDRA SERIF
Einige Erkennungsmerkmale der FEDRA SERIF
Eine alternative Form der FEDRA SANS: Fedra Sans Alt
FEDRA SANS und SERIFbasieren auf denselben Proportionen
Die unterschiedlichen Ober-und Unterlängen sowie dieleicht differierenden Strich-kontraste der FEDRA SERIF Aund der FEDRA SERIF B
Unterschiedliche Neigungs-winkel der FEDRA SERIF ITALIC
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