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7/25/2019 BRUNKHORST, Hauke_Privateigentum, Verdinglichungskritik
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DZPhil 2014; 62(3): 487509
Hauke Brunkhorst
Privateigentum, Verdinglichungskritik
und die Vergesellschaftung derProduktionsmittel
Abstract: The problem of a society based on private ownership of productive
forces is the unequal and unjust conditions of producing economic wealth and
political power. The bourgeois legal concept of private property is a paradigmatic
combination of the reification of universal concepts and class-interest. An exem-
plary case is Hegels Philosophy of Law. The essay tries to reconstruct the idea of
democratic socialism as a still workable alternative.
Keywords:U curve, democracy, socialism, distributive justice, reification, class
interest, bourgeois society, concretisation, subjective and objective law, emanci-
pation, particularity, legal regime
DOI 10.1515/dzph-2014-0033
1
Die U-Kurve, die schon Colin Crouch seiner Abhandlung zur Krise der egalitren
Massendemokratie zugrunde gelegt hatte und die durch Thomas Pikettys Lang-
zeitstudie zum tendenziellen Anstieg der Profitrate weltberhmt wurde, lt die
Katastrophe, auf die das Kapital im 21. Jahrhundert zusteuert, auf einen Blick
erkennen.Die, unter Bedingungen strukturell schwacher Wachstumsraten, in
einem dreiigjhrigen Klassenkampf von oben global durchgesetzte Einkom-mens- und Vermgensverteilung hat heute wieder das Ausgangsniveau des Jahres
1900 erreicht, in dem der Reichtum sich in immer weniger Hnden konzentriert
und die sozialen Differenzen groteske Ausmae angenommen hatten.
Dadurch geraten die demokratischen Institutionen unter Druck, die Wahlbe-
teiligung sinkt insgesamt, steigt aber im oberen Zehntel auf oft ber 90 %, und
Crouch (2004), 5, 2030; Piketty (2014), 2326, 195196, 402403.
Prof. Dr. Hauke Brunkhorst: Universitt Flensburg, Internationales Institut fr Management und
konomische Bildung, Auf dem Campus 1, 24943 Flensburg; haukebrunk@aol.com
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gewhlt wird hier, wie einst in der DDR, immer dieselbe Partei mit der neolibe-
ralen Agenda. Whrenddessen sinkt der Whleranteil in der unteren Hlfte der
Gesellschaft auf bisweilen unter 30 %, whrend auf Nachfrage die groe Mehr-
zahl der Nichtwhler sozialistisch whlen wrde, wenn es denn noch eine Parteigbe, die so ein Programm chancenreich anbieten knnte.Stattdessen sitzen die
linken Parteien, weil der Durchschnitt der tatschlich whlenden Wahlberech-
tigten immer weiter nach rechts ins obere Drittel der Klassengesellschaft driftet,
in einer timidity trapfest, die den Parteien diktiert, linken Ballast ber Bord zu
werfen und oben rechts zu fischen, wo zwar noch Macht gewonnen, aber nicht
mehr zur Durchsetzung von Alternativen genutzt werden kann.So wird Demo-
kratie zur Fassade ubiquitrer Austerittspolitik, ganz im Interesse einer Hand-
voll global operierender Investoren, Banken und Mischkonzerne, die heute ber
eine konomische Erpressungsmacht verfgen, die ihresgleichen sucht. Das
jeweils nchste Austerittsdiktat mu fertig sein, bevor die Brse in Tokyo sonn-
tags morgens um fnf Uhr mitteleuropischer Zeit ihre Tore ffnet.
2
Das schreiende Unrecht der Ungleichverteilung des gesellschaftlich produzierten
und wie im 19. Jahrhundert berwiegend privat angeeigneten Reichtums kann
schon lange nicht mehr durch individuell zurechenbare Leistungen und Meriten,
geschweige denn durch anspruchsvollere Theorien der Verteilungsgerechtigkeit,
die sich wie die Rawlssche am Wohlergehen der Verlierer universeller Konkurrenz
orientieren, rationalisiert werden.In den oberen Stratosphren der Gesellschaft
wird der Reichtum immer seltener durch eine kooperativ-repressive Mixtur aus
Management und Ausbeutung erarbeitet und immer hufiger als arbeitsloses
Vermgen, fr das nur noch die andern arbeiten, vererbt.Shareholder-value ist
zum berall sichtbaren Ma aller Dinge und die konomische Erpressungsmachtvon unten, das Streikrecht, zu blo nominellem Recht auf dem Papier geworden,
wird es doch seit ber dreiig Jahren kaum noch ausgebt. Whrend die unteren
Rnge der Stakeholder zusammen mit den Gewerkschaften entmachtet und der
Knig Kunde zum unbezahlten Mitarbeiter in den Shopping-Malls promoviert
Schfer (2013).
Krugman (2014).
bereinstimmend: Streeck (2011a); Bofinger et al. (2012).
So auch Piketty (2014), 2627, 330331.
Ebd., 240243, 377429.
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wurde, sind nicht nur die Milliardenerbschaften, sondern auch die Arbeitsein-
kommen und Boni der Spitzenfunktionre globaler Finanz- und Wirtschaftsun-
ternehmen von jedem erkennbaren Bezug zu Arbeitszeit und Arbeitsleistung ent-
koppelt worden.Aber die outputorientierten Theorien bloer Verteilungsgerechtigkeit greifen
ohnehin zu kurz, haben sie doch den schon von Marx beklagten Mangel, sich
ausschlielich auf die passiv-rezeptive Verteilung von brauch- und tauschbaren
Gtern zu fixieren und dabei, wie Rainer Forst zu Recht einwendet, nicht nur
1. die konomische Produktiondes Reichtums durch lebendige Arbeit (Marx)
auszublenden, sondern auch
2. den Anteil dergesetzgebenden Gewaltund
3. des ffentlichen Diskurseskmpfender Gruppen und Klassen an der Erzeu-
gung, Stabilisierung und Vernderung der jeweiligen Verteilungs- und Pro-
duktionsverhltnisse zu vernachlssigen.
Durch die einseitige Fixierung auf das Verteilungsresultat wird der Unterschied
zwischen sozialem Unrecht, Ausbeutung und Unterdrckung auf der einen und
bloer Not und Hilfsbedrftigkeit, sofern sie durch sozial invariante Mangella-
gen, Unglcksflle und Naturkatastrophen verursacht sind, auf der andern Seite
verwischt.Whrend der durch Unrecht zerrissene sittliche Zusammenhang die
rchenden Gewalten auf den Plan ruft, um bei den Betroffenen selbst den Sinnfr Ungerechtigkeit (Barrington Moore) zu wecken, kann Not lediglich an die
asymmetrische Hilfsbereitschaft der Anderen appellieren. Theorien der Gerech-
tigkeit, die diesen Unterschied beachten, geht es um die Aufhebung der gesell-
schaftlichen Ursachenund der Ungleichheit am Ursprungder immer groteskeren
Ungleichverteilung.Damit aber wandert die normative Theorie der Gerechtigkeit
in die explanative Theorie der Gesellschaft ein und wird zur Kritik von Produk-
tions- (Marx) und Verstndigungsverhltnissen (Habermas), die mit der Erzeu-
gung und Restabilisierung politischer und unpolitischer (Klassen-)Herrschaft fr
eine entsprechend ungleiche Verteilung gesellschaftlichen Reichtums sorgen.
Crouch (2011); Streeck (2011b).
Vgl. Forst (2014).
Vgl. Kreide (2013a); dies. (2013b).
Zu diesem Theorietypus vgl. Habermas (1983).
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Die Kritik an der Ausblendung der gesellschaftlichen Erzeugungsbedingungen
des sozialen Unrechts durch die Theorien distributiver Gerechtigkeit erinnert anltere, vorwiegend marxistische (Lukcs) oder pragmatistische (Dewey), aber
auch rechtspositivistische (Kelsen) Kritiker der brgerlichen Philosophie und
Wissenschaft.Diese,zeitlichauf die junghegelianische Konstellation zurckge-
hende Kritik hat (1) eine sachlicheund (2) eine sozialeSeite. Das ntigt (3) zur
geschichtlich gesellschaftlichen Korrektur, nicht zur Preisgabe des abstrakten
Begriffs der Gleichheit.
(1) Sachlichtrifft sie sich mit der Kritik der phnomenologischen, hermeneu-
tischen und sprachanalytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts an der Verding-
lichung des Universellen(Quine) durch Ontologie und Bewutseinsphilosophie.
Kritisiert wird die Herrschaft der Reflexionsmetapher (Rorty) auf der einen, die
des Begriffs(Adorno) auf der andern Seite. Zurckgewiesen wird von den einen
der Vorrang der kognitiven Darstellung(Austin), von den andern die Hegemonie
instrumenteller Vernunft(Horkheimer). Kritisiert wird die dualistische Metaphy-
sik, die davon ausgeht, da sprachliche Ausdrcke fr Klassen mglicher Gegen-
stnde auf etwas verweisen, was nicht begrifflich und durch menschliche Praxis
hervorgebracht und deshalb nderbar ist.Ontologie und Bewutseinsphiloso-
phie haben das Nachdenken ber unsere Verstndigungspraktiken sogleich zueinem bersinnlichen Seienden vergegenstndlicht.Die Definition der Wahr-
heit als bereinstimmung (oder hnlichkeit) zwischen Stzen und Sachen ist das
Musterbeispiel einer Verdinglichung unserer Praxis, uns der Triftigkeit strittiger
Stze in intersubjektiven Verfahren und Diskursen zu vergewissern. Auch das
veritative Sein ist ein Zu-Sein (to be).Ganz so wie die alten Propheten gegen
die Verdinglichung ihres universellen Gottes zum hlzernen Gtterbild polemi-
siert haben, polemisiert der Pragmatismus gegen die Verdinglichung universeller
Wahrheitsansprche, auf die wir uns im zeitlich situierten Sprachgebrach andern
gegenber festlegen, zu zeitlosen Entitten: When we go, so do our norms and
Pragmatisten bevorzugen oft den Ausdruck aristokratisch, um das gesamte Denken von
Platon bis Hegel in einen Topf zu packen.
Oft verbunden mit einer entwicklungsgeschichtlichen Stufung in Ontologie, Bewutseins-
philosophie und Sprachanalyse (linguistic turn)bzw. in vor- und nachmetaphysisches Denken,
vgl. z. B. Apel (1973); ders. (2011); Tugendhat (1976), 3551, 80104; Rorty (1980); Schndelbach
(1985), 4676; Habermas (1988), 2026, 3560.
Quine (1951), 123.
Tugendhat (1976), 51.
Ebd., 484494.
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standards of rational assertibility. Does truth go too? Truth neither comes nor goes.
That is not because it is an entity that enjoys an atemporal existence, but because
it is not an entity at all. The word truth in this context is just the reification of an
approbative and indefinable adjective.Mit hnlichen Argumenten hat HansKelsen die Assimilation der Normativitt des Rechts an die Faktizitt der Macht,
die Vergttlichung des Staats und die Verdinglichung der rechtlich organisierten
Erzeugung und Legitimation des Rechts zur hheren Legitimitt einer hinter dem
Recht stehenden Staatssouvernitt kritisiert.Indem sie an ein bersinnliches
Seiendes fixiert werden, werden bedeutungsgenerierende Verstndigungsprakti-
ken zu einer zweiten Natur fetischisiert, durch die gesellschaftliche Verhltnisse
zwischen Menschen und von Menschen geschaffenen Begriffen in dingliche
Naturverhltnisse zurckverwandelt werden. Gesellschaftliche Rechtsverhlt-
nisse werden vom brgerlichen Staatswillenspositivismus in Naturverhltnisse
umgedeutet und dadurch gerechtfertigt, verklrt und verhllt.
(2) Der bergang von der sachlichen Kritik an der Verdinglichung des Uni-
versellen zur praktischen Kritik der sozialenKlassenschranken einer philosophi-
schen oder wissenschaftlichen Denkweise ist vor allem dann plausibel, wenn
Herrschaftsverhltnisse zwischen Personen den Charakter einer Dinghaftig-
keit und gespenstigen Gegenstndlichkeit annehmen, durch die verdeckt
wird, da es sich um eine zeitliche und nderbare Beziehung zwischen Men-
schen handelt.In solchen Fllen kann die latente Bindung an materielle undideelle Klasseninteressen zur Erklrung von Inkonsistenzen und Anomalien
des jeweiligen Forschungsprogramms herangezogen werden. So erklrt John
Dewey in den 1920er Jahren die ontologische Verdinglichung des Universellen
durch die Nhe der optischen Metapher zur aristokratischen Distinktion, dem
Blick von oben herab, den das verstndigungsorientierte Ohr im symmetrischen
Modus demokratischer Partizipation berwindet. Ungefhr zur selben Zeit
erklrt Lukcs die Antinomien des brgerlichen Denkens aus seiner Beschrn-
kung durch das brgerliche Klasseninteresse. Der transzendentalphilosophische
Rckzug der (neukantianischen) Kritik auf die formellen Geltungsvorausset-
zungen [] der Einzelwissenschaften hat zwar die alteuropische Ontologie
berwunden, diesen Fortschritt aber damit erkauft, da die Kritik an den Ein-
Rorty (1993), 453.
Vgl. Kelsen (1960); vgl. auch ders. (1981), 4556; zu Kelsens Begriff der Souvernitt Mllers
(2000), 251, 254255.
Kelsen (1967), 73.
Lukcs (1923), 94.
Dewey (1984), 371.
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zelwissenschaften Halt macht, um diese unangetastet und unkorrigiert einer
rein technisch-instrumentellen Rationalitt zu berlassen. Mit wachsender,
technisch-instrumenteller Beherrschung der Einzelheiten ihres gesellschaft-
lichen Daseins erscheint jedoch das Ganze der brgerlichen Gesellschaftumso unbeherrschbarer. Damit aber werden die bestehenden Herrschafts- und
Produktionsverhltnisse jeder Kritik entzogen und in ein schlechthin Hinzuneh-
mendes: in unvernderliche, dingliche Faktizitt verwandelt.
Zwar hat die Bewutseinsphilosophie in reflektierender Abstraktion
(Piaget) einen universellen und egalitren Freiheitsbegriff entwickelt und ihrer
Rechts- und Staatsphilosophie zugrunde gelegt, der sich als scharfe Waffe der
Kritik (Marx) am alteuropischen Ordnungsdenken erwiesen und einen wesent-
lichen Anteil am Erfolg der groen Verfassungsrevolutionen des 18. Jahrhun-
derts hatte. Aus privilegierten Freiheiten wurden universelle Freiheitsrechte. Aus
hherer, monarchischer Legitimitt wurden Verfahren egalitrer Legitimation,
und das Volk wurde in den beiden Rollen der verfassungsgebenden und der
verfaten Gewalt zum Souvern. berdies wurde die durch Rechte ermglichte
Volkssouvernitt durch die funktionalen Gliederung der drei Gewalten verwirk-
licht, zu einem Festen an Organisation (Hegel) und fr alternativlos erklrt
(Art. 16 franzsische Rechteerklrung).
Aber zur gleichen Zeit scheidet der Begriff des Privateigentums an Produkti-
onsmittelnden selbstndigen Perckenmacher vom unselbstndigen Friseur, dieselbstbestimmte Aktivbrgerschaft vom fremdbestimmten Untertan, den freien
weien Herrn von der farbigen Sklavennatur, die gleichberechtigte Herrschaft
mnnlicher Brger vom inneren Feind des Gemeinwesens, der ihm in Gestalt
des Weiblichen entgegentritt.Schon in den ersten Tagen der Revolution beset-
zen die jakobinischen Verknder der allgemeinen Menschenrechte alle wichti-
gen Positionen in Staat und Gesellschaft mit ihren Klassengenossen.Nur ein
einziges Recht wird in der knappen Erklrung der Rechte des Menschen und des
Brgers, die ansonsten kein einziges berflssiges Wort enthlt, alles Stndi-
sche und Stehende verdampfen lsst und alles Heilige entweiht, gleich
zweimal zur unverletzlichen und heiligen (Art. 17) Norm aller Verfassungen
erklrt: das Privateigentum (Art. 2 und 17). Das tragische Element im dialek-
tischen Widerspruch zwischen universell hochfliegendem Klassenbewutsein
und partikular ernchtertem Klasseninteresse der Bourgeoisie sieht Lukcs
Lukcs (1923), 133134.
Hegel (1952), 340; vgl. auch Wesche (2014).
Tilly (1995), 167168; vgl. Thornhill (2011), 221; Bellomo (1995), 711.
Marx/Engels (1997), 23.
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darin, da die Bekmpfung der stndischen Organisation der Gesellschaft im
Namen einer Freiheit geleistet wurde, die im Moment des Sieges zu einer neuen
Unterdrckung verwandelt werden mute. Kants Entdeckung, so auch
Adorno, war progressiv: [] Durch die Etablierung der vernnftigen Einheit desWillens als alleiniger sittlicher Instanz erlangt das menschliche Subjekt Schutz
gegen die ihm von der hierarchischen Gesellschaft angetane Gewalt []. Verin-
nerlichung der Gesellschaft als ganzer tritt anstelle der Reflexe einer stndischen
Ordnung.Der freie Wille ist die Kraft des Bewutseins, mit der es den eigenen
Bannkreis verlt und dadurch verndert, was blo ist.Aber genau hier stt
die Kraft des Bewutseins auf eine Antinomie des brgerlichenDenkens: Kants
brgerlich verzagter Abscheu vor Anarchie ist nicht geringer als sein brger-
lich selbstbewuter Wille gegen Bevormundung. [] Da Kant Freiheit eilends
als Gesetz denkt, verrt, da er es so wenig streng mit ihr nimmt wie je seine
Klasse.Am Ende schlgt absolute Autonomie des Willens in absolute Herr-
schaft ber die innere Natur zurck.
(3) Zwar gilt mit John Rawls, da es dieselbeGleichheit, die schon die ame-
rikanische Unabhngigkeitserklrung allen Menschen zuschreibt, ist, auf die
Lincoln sich berufen hat, um die Sklaverei zu verurteilen, und auf die sich im
20. Jahrhundert diejenigen berufen, die die Ungleichheit und Unterdrckung
der Frauen () verurteilen.Aber, und das ist die doppelte Quintesssenz der
sachlichen undder sozialen Kritik an der Verdinglichung des Universellen, daskann man erst wissen, wenn man es getan hat. Solange die postulierte gleiche
Freiheit aller die Sklaven, Frauen, Unselbstndigen und Farbigen ausschliet,
bleibt sie fr diese eine schlechte Abstraktion, die sie im Namen der Menschheit
um ihre Menschlichkeit betrgt. So wie es keinen Baum hinter dem Stamm, den
sten und Blttern gibt, so gibt es keinen Staat hinter den Recht, und kein Recht
hinter der Vielzahl seiner Gesetze, Verordnungen, Urteile und Vollstreckungsbe-
fehle.Die gleiche Freiheit aller ist so wenig eine zeitlose Entitt wie die Wahr-
heit oder eine Klasse mglicher Gegenstnde. Sie existiert ausschlielich in ihren
jeweiligengesetzlichen und normativen Konkretisierungen und nur in diesen und
nicht dahinter.
Lukcs (1923), 7374.
Adorno (2003), 237.
Ebd., 240.
Ebd., 248.
Ebd., 253.
Rawls (1998), 27.
Kelsen (1960), 177.
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Privateigentum ist ein Rechtsbegriff, in dem die Gleichgltigkeit des Rechts mit
der administrativen Macht des Staates und den Verwertungsimperativen derkapitalistischen konomie zusammentrifft, deren Arbeitsmarkt das Zeit kon-
sumierende Diktat der toten ber die lebendige Arbeit entspringt. Indem die
Bewutseinsphilosophie und die ihr folgende Verfassungs- und Rechtstheorie
des 18. und frhen 19. Jahrhunderts das Privateigentum in der Beziehung einer
Rechtspersonzu einer Sachebegrndet und daraus ein subjektives Rechtableitet,
das der objektivenOrdnung des positiven Rechts transzendental vorgegeben ist,
verbindet sich im Begriff des Eigentums exemplarisch die Verdinglichungdes uni-
versellen Rechtsbegriffs mit demKlasseninteressedes Brgertums.
Noch Hegels Rechtsphilosophie folgt dieser Ordnung der Dinge.Hegel geht
dabei, ganz so wie die Rechterklrungen und die Rechtstheorien seiner Vorgn-
ger, vom universellen Rechtsbegriff aus, indem er das Recht als freien, sich selbst
reflektierenden und wollenden Willen bestimmt ( 4, 21, 27), der sodann als
dessen Dasein, und das heit, als dessen geschichtlich gesellschaftliche Wirk-
lichkeit, nher bestimmt wird ( 29). Doch wie in den frhen Verfassungstexten
und bei seinen Vorgngern konkretisiertsich das rechtliche Dasein universeller
Freiheit einer und eines jeden in einer gltigen Rechtsordnung, deren ideologi-
sche Funktion darin liegt, die Erhaltung und Vermehrung des Privateigentumsund damit die private Kapitalakkumulation zu gewhrleisten und dem gestalten-
den Zugriff des Gesetzgebers eine unbersteigbare Schranke entgegenzuset-
zen.
Indem Hegel das Prinzip des Idealismus, das logisch in der negativ abstra-
hierenden Reflexion des Subjekts, rechtlich im Dasein des freien Willens liegt,
privatrechtlich konkretisiert und mit dem Prinzip des Eigentums vereinigt,
verliert die Hegelsche Auffassung ihren kritischen Inhalt und dient schlielich
zu einer metaphysischen Rechtfertigung des Privateigentums.Der Idealismus,
der (als kritische Theorie) lediglich darin besteht, die Dinge nichtzu verabsolu-
tieren, sie also nicht, wie sie sind, fr an und fr sich feststehend, sondern fr
nderbarzu halten ( 44, Zusatz) Adornos Kraft des Bewutseins, zu ndern,
was blo ist (siehe oben, Abschnitt 3) verabsolutiertausgerechnet die Institu-
tion des privaten Eigentums. Hegel lst sie (wie der Platoniker das Universelle)
aus jedem zuflligen Zusammenhang heraus und hypostasiert sie als eine
Hegel (1970), im Folgenden mit Paragraphenangaben in Klammern zitiert.
Kelsen (1960), 175.
Marcuse (1962), 170.
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Privateigentum, Verdinglichungskritik und Vergesellschaftung 495
ontologische Beziehung.Damit wird das Privateigentum zusammen mit den
ungleichen Bedingungen seiner Erzeugung und Verteilungzum eigentlichen Ma
rechtlicher Freiheit: Einheit von begrifflicher Verdinglichung und sozialer Herr-
schaft.Die gleiche Freiheit aller verkehrt sich nicht nur im Begriff, auch im wirkli-
chen Leben, in ihre Verdinglichung: Die Person geht in ihrem Eigentum unter
und ist nur aufgrund ihres Eigentums Person.Das Eigentum an der eigenen
Arbeitskraft wird dem Verwertungsimperativ toter Arbeit (konstantes und varia-
bles Kapital) unterworfen und die Lebenszeit bis auf den Rest, der zur Reproduk-
tion des materiellen, geistigen und rechtlichen Lebens erforderlich ist, zu fremd-
bestimmter Arbeitszeit, wie schon Hegel selbst klar erkannt hat: Von meinen
besonderen[] Geschicklichkeiten[] kann ich [] einen in der Zeit beschrnkten
Gebrauch von einem anderen veruern. Durch die Veruerung meinerganzen,
durch Arbeit konkreten Zeit [] wrde ich [] meine Persnlichkeit zum Eigen-
tum eines anderen machen. ( 67, Hervorhebungen im Original) Ein groer
Fortschritt politischer Emanzipation, aber keiner der menschlichen.In der
wirklichen Geschichte wird die Sklaverei, sowie sich die Fabriktore hinter dem
freien Arbeiter geschlossen haben, zum Modell der Lohnarbeit.
Die im Eigentum vergegenstndlichte Freiheit befestigt die Schranke des sub-
jektiven gegen das objektive Recht alsKlassenschrankederpolitischen Emanzipa-
tiondes Menschen und des Brgers. Eigentum ist, wie Hegel nchtern materia-listisch feststellt, der Boden der Ungleichheit ( 49), der von der Gleichheit nur
ein Recht im Konjunktiv, da jeder Mensch Eigentum haben mte, brig-,
und es ansonsten bei der Gleichgltigkeitdes Rechts gegen die Besonderheit
bewenden lt ( 49, Zusatz). Ist die politische Emanzipation zur Allgemeinheit
des Gesetzes, das fr jeden gleichermaen gltig ist, progressiv und in der Tat
ein groer Fortschritt, so ist ihre rechtliche Konkretisierung fr das menschliche
Wesen des Individuumsregressiv, wird doch seineBesonderheit Adornos Nich-
tidentisches unter der Herrschaft des Privateigentums und der privaten Kapi-
talakkumulation vergleichgltigt und den Real-Abstraktionen administrativer
Macht, technischen Rechts und konomischer Verwertbarkeit unterworfen.
Ebd., 174.
Ebd., 175.
Marx (1976), 356, 370.
Ders. (1969), 190191; mit Verweisen auf die historische Forschung: Buck-Morss (2009).
Marcuse (1962), 175; zum doppelsinnigen Begriff der Gleichgltigkeit vgl. Theunissen (1980),
433471.
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Mehr noch, unter der Herrschaft des Privateigentums blockiert diepolitische
die menschliche Emanzipationzu einer Welt wirklich individueller Menschen,
die sich in ihrem empirischen Leben, ihrer individuellen Arbeit und ihren
individuellen Verhltnissen selbst bestimmen knnten. Erst die Befreiungvon der Herrschaft des Privateigentums, der privaten Kapitalakkumulation und
ihres Zeitdiktats wrde den eigentmlichen Wert der Menschenwelt wie [der]
Natur, ja, auch des Menschen als Bekenner einer besondern Religion in
seinem wirklichen individuellen Leben zu gleicher Geltung bringen.
Marx gibt in dieser Zeit, im Jahr 1844, nur ein einziges, aber signifikantes Bei-
spiel fr die Differenz zwischen politischer und menschlicher Emanzipation. Die
Schwelle zur menschliche Emanzipation wre, so argumentiert er in Die Heilige
Familie, genau dann berschritten, wenn der jdische Sabbat dasselbe Recht
auf einen gesetzlichen Feiertag htte wie der christliche Sonntag, den die christli-
che Parlamentsmehrheit impolitischemanzipierten Frankreich wenige Jahre zuvor
durchgesetzt hatte.Erst dann wre es dieselbe Gleichheit (Rawls) der franzsi-
schen Verfassung, die derBesonderheitdes christlichen Sonntags ebenso gerecht
wrde wie der des jdischen Sabbats.Aber affirmative actionund Antidiskrimi-
nierungsnormen, die das Verlangen menschlicher Emanzipation, dem Besonderen
und den je besonderen Lebensumstnden gerecht zu werden, in (wie immer unzu-
reichende) Rechtsbegriffe fassen, gab es in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts,
die noch durch und durch brgerlich in ihrem Klassencharakter war, nicht.Ein anderes, wichtiges Beispiel menschlicher Emanzipation findet sich im
ersten Band von DasKapital. Es betrifft die gesetzliche Limitierung des Arbeits-
tags, durch die der Zwang der Lohnarbeit, sich selbst freiwillig zu verkaufen,
gelockert und ein Teil des individuellen Eigentums frei verfgbarer Zeit, das
Marx vom Privateigentum unterscheidet, wieder hergestellt wird. Das Bei-
spiel des erfolgreichen Kampfes um den Normalarbeitstag in England 18331864
zeigt, da die Blockade der menschlichen Emanzipation durch die politische
im Medium der politischen Emanzipation durch ffentlichen Klassenkampf,
gewerkschaftliche Assoziation und Parlamentsgesetze aufgehoben und die
negative Dialektik dieses groen Fortschritts durch ihn selbst korrigiert und dem
kapitalistischen Zeitdiktat abgerungen werden kann. An die Stelle des prunk-
Marx (1976), 370.
Ebd., 375376.
Ebd., 355.
Ders. u. Engels (1990), 122.
Zum Begriff der Besonderheit erhellend vgl. Hindrichs (2014).
Marx (1969), 294320, 791, 793; zum Kriterium frei verfgbarer Zeit vgl. auch ders. (1953), 594,
596; ders. (1968), 252253.
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Privateigentum, Verdinglichungskritik und Vergesellschaftung 497
vollen [subjektivrechtlichen] Katalogs der unveruerlichen Menschenrechte,
die den Fortschritt politischer Emanzipation verkrpern, aber seinen konomi-
schen Kern, die private Kapitalakkumulation, dem verndernden Zugriff des
Gesetzgebers entziehen, tritt die bescheidene [objektivrechtliche] Magna Chartaeines gesetzlich beschrnkten Arbeitstages, die einen weiteren Fortschritt, den
ersten, politisch erkmpften Schritt zur menschlichen Emanzipation macht und
damit einer radikalen seis reformistischen, seis revolutionren Uminterpre-
tation der Menschenrechte die Tr ffnet: Quantum mutatut ab illo!
Die Kritik des gesellschaftlichen Unrechts der Klassenherrschaft und der
durch sie unterdrckten Besonderheit zielt in diesen Beispielen nicht auf die Kor-
rektur des Resultats ungleich verteilter Gter, sondern auf die Aufhebung unglei-
cher und ungerechter Produktions- und Erzeugungsbedingen gesellschaftlicher
Herrschaft (siehe oben, Abschnitt 2).
5
Die Hegelsche Rechtsphilosophie bleibt bei ihren Voraussetzungen im abstrak-
ten, subjektiven Recht nicht stehen, sondern holt sie Schritt um Schritt ein,
um sie am Ende in die sittliche Totalitt des vernnftigen Staates aufzuheben.
Dadurch soll die Beschrnktheit der jeweils vorhergehenden Form negiert und
berwunden, das Abstrakte konkretisiert und die Vernunft verwirklicht werden.
Aber das aufhebende Einholen der Voraussetzungen durch eine kritische und
negative Theorie von Recht und Gesellschaft endet in Hegels Rechtsphilosophie
mit der vollstndigen Affirmation der Herrschaft des Privateigentums und seiner
Verklrung zur substantiellen Sittlichkeit der brgerlichen Gesellschaft. Die Men-
schenrechte, deren cash valuesich 1820, als die Grundlinienpubliziert wurden,
im subjektiven Recht des Privateigentums erschpfte (siehe oben, Abschnitt 3),
markieren die Grenze der rechtlichen Konstitution des Systems der Bedrfnisse(209). Hegel beschreibt dieses System als ein funktional ausdifferenziertes, kapi-
talistisches Wirtschaftssystem ( 198200), das seiner gefhrlichen Zuckun-
gen, Interessen-Kollisionen ( 236) und dem bermae der Armut und der
Erzeugung des Pbels nicht Herr werden kann ( 245).Die subjektiven Men-
schenrechte, die fr die politische Emanzipation der unpolitischen brgerlichen
Ders. (1969), 320; vgl. dam (2012).
Zur zentralen dialektischen Denkfigur des Einholens der Voraussetzungen vgl. Bubner (1973).
Zu letzterem vgl. Ruda (2011).
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Gesellschaft und die Freiheit des Warenverkehrs von unendlicher Wichtigkeit
sind, grenzen jedoch zugleich das System des expandierenden und in immer
weniger Hnden konzentrierten Privateigentums ( 244) gegen den gestaltenden
Zugriff der gesetzgebenden Gewalt ab. Das Menschenrecht wird in dem Augen-blick mangelhaft, in dem es als Kosmopolitismussich dazu fixiert, dem kon-
kreten Staatsleben und seiner Bindung durch das subjektive Recht des Privatei-
gentums gegenberzustehen ( 209, Hervorhebung im Original).
Zwar ist fr Hegel das System privater Kapitalakkumulation ein System
der [] verlorenen Sittlichkeit ( 184), ein Schauspiel [] sittlichen Verder-
bens ( 185), bloes Scheinen der Vernnftigkeit ( 189) aus einem geschicht-
lich (geistig) erzeugten Rest des Naturzustandes, der die von der Natur []
gesetzte Ungleichheit der Menschen [] nicht nur nicht aufhebt, sondern aus dem
Geist produziert und vervielfltigt ( 200). Aber auch die Unterordnung des Not-
und Verstandesstaates ( 183) der brgerlichen Gesellschaft (Wirtschaftssystem,
Rechtssystem, Korporation und Polizei) unter die hhere Vernunft des autonomen
Verfassungsstaats bleibt dem Zweck verpflichtet, die Selbsterhaltung der brger-
lichen Gesellschaft zu gewhrleisten und deren Kerninstitution, das Palladium
des sittlichen Staats, das Eigentum (Heine) zu verklren und vor bergriffen des
Pbels, der ffentlichen Meinung unddes Gesetzgebers zu schtzen.
Zwar bestimmt Hegel die im subjektiven Recht des Privateigentums objek-
tivierte Freiheit als deren erste, noch schlechte Realitt ( 41, Zusatz) undhebt diese Voraussetzung in der (wie immer dann restriktiv konkretisierten) poli-
tischen Freiheit des Individuums, die Gesetze, deren Adressat es ist, selbst zu
bestimmen, auf. Er legt die Gesetzgebung aber von vornherein auf den Zweck
fest, den Schutz des Eigentums durch die Rechtspflege ( 208) zu verwirkli-
chen. Das subjektive Freiheitsrecht erweist sich fr Hegel als unbersteig-
bare Schranke (Kelsen) der politisch-rechtlichen Herrschaft Beherrschter.
Das Einholen dieserVoraussetzung, die das Recht mit der konomischen Basis
der Gesellschaft verklammert, scheitert: Das System des Privateigentums bleibt
Zentrum und Basis der Rechtsphilosophie, ihre Klassenschranke.
Das ist jedoch keineswegs das letzte Wort der dialektischen Gesellschafts-
theorie Hegels, relativiertdiese doch schon im abschlieenden Kapitel ber das
Vlkerrecht das Recht von Staat und Gesellschaft am Recht des Weltgeistes.
Noch deutlicher fllt die Relativierung aus, wenn Hegel den Wahrheitsanspruch
des Staates bzw. des objektiven Geistes auf die Gestalten, Wertsphren (Weber)
Vgl. Marcuse (1962), 181, 187188.
Vgl. Mllers (1997), 97.
Vgl. Fine (2003).
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oder Subsysteme (Parsons) des absolutenGeistes, auf Religion, Kunst und Wis-
senschaft bezieht, um jenen der in diesen verkrperten ungeheuren Macht des
Negativen auszusetzen.Gemessen am Freiheits-, Gleichheits- und Vernunftbe-
griff des absoluten Geistes wird nicht nur der brgerliche Staat des Privateigen-tums an Produktionsmitteln, sondern der Staat berhaupt fr zu kurz befunden
und zur bloen Episode im Ozean der Weltgeschichte entzaubert.Die Grund-
begriffe der Freiheit und der Vernunft, die dem objektiven Geist zugrunde liegen
und die wechselseitig relativierende Verbindung zum absoluten Geist herstel-
len, drfen jedoch ihrerseits nicht zu einer zeitlosen Entitt oder einer in allem
Wandel beharrenden Wesenheit verdinglicht werden. Nur wo sie tatschlich als
Negation ihrer beschrnkten Konkretisierungen vollzogenwird, existiert die Ver-
nunft, Freiheit und Gleichheit der Rechteerklrungen des 18. Jahrhunderts als
dieselbe, die erst in der sozialen Kritik des Privateigentums und dann in der femi-
nistischen Kritik der Unterdrckung der Frauen eingeklagt worden ist.
Herbert Marcuses Interpretation der Hegelschen Rechtsphilosophie ist inte-
ressant, weil sie die affirmative Schlieung dieser Philosophie nicht nur auf die
resignativ materialistische Einsicht Hegels in diefaktischebermacht der gesell-
schaftlichen Basis zurckfhrt, sondern, wie Kelsen und andere Kritiker der
Verdinglichung des Universellen, auch auf die begrifflicheHypostasierung zufl-
liger, geschichtlicher und intersubjektiver Rechtsbeziehungen zwischen Perso-
nen zu einer ontologischen Beziehungzwischen dem Subjekt und den Sachen.Schon Hegel selbst hat deshalb zwischen der Verdinglichung des Eigentums
zu einer ontologisch unverrckbaren, in der natrlichen und naturrechtlichen
Beziehung der Person zu einer Sache begrndeten Voraussetzung allen positi-
ven Rechts, die er in den Grundlinienvollzogen hat, und einem (in der Jenenser
Realphilosophieund derPhnomenologie des Geistes ausgefhrten) Verstndnis
des Privateigentums als einer Beziehung zwischen Menschen, die sich gesetzlich
ausgestalten und ndern lt, geschwankt.
Hegel (1952), 29. Zur Rolle der Relativierung aller Substantialisierungen bei Hegel vgl. jngst
Larmore (2014), 151.
Vgl. Marcuse (1962), 161162, 181183, 198199.
Hegel wute, da eine Gestalt des Lebens alt geworden war und da sie durch die
Philosophie niemals verjngt werden konnte. Die letzten Abschnitte der Vorrede kennzeichnen
den Tenor der gesamten Philosophie des Rechts. Sie markieren die Resignation eines Mannes,
der wei, da das Ende der von ihm dargestellten Wahrheit sich abzeichnet und da sie die Welt
nicht lnger beleben kann. Ebd., 165166.
Ebd., 173, Fn. 2, 174.
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Das nun ist genau der Punkt, an dem nicht nur (1) die Marxsche Kritik an den
ungleichen, durch die unpolitische Herrschaftdes Kapitals ber die Arbeit (Aus-beutung) geprgten Erzeugungsbedingungen des gesellschaftlichen Reichtums
einsetzt, sondern auch (2) Kelsens Kritik an den ungleichen, durch politische
Herrschaft eines politisch-konomischen Machtblocks ber die Brgerschaft
geprgten Erzeugungsbedingungen des positiven Rechts. Beider Kritiken stehen
eher in einem Ergnzungs- als in einem Konkurrenzverhltnis. Sie widersprechen
sich nur, wenn, wie im orthodoxen Marxismus, das eine auf das andere reduziert
wird.
(1) Die Kritik der Produktionsverhltnisse antwortet auf das Unrecht der
ungleichen Erzeugungsbedingungen des gesellschaftlichen Reichtums mit der
Formel von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel.
Die konomische Basis (Marx) gehrt auch bei Rawls zur basic structure
gerechter Institutionen.Dabei geht es um Alternativen zum Kapitalismus, die
fairen Zugang zu fairen Verfahren gewhrleisten sollen, denn derLaissez-faire-
Kapitalismusgewhrleistet nur formale Gleichheit und lehnt sowohl den fairen
Wert der gleichen politischen Freiheiten als auch faire Chancengleichheit ab.
Faire Chancengleichheit wird von Rawls in der Theorie der Gerechtigkeitdurch die
Kombination der beiden Dimensionen jedermanns Vorteil (Differenzprinzip)und jedem offen (Chancengleichheit) als demokratische Gleichheit bestimmt
und von der liberalen Gleichheitdes Laissez-faire-Kapitalismus scharf abgegrenzt
(political vs. neo-liberalism). Um demokratische Gleichheit zu ermglichen,
mssen die strukturellen Eingangsbedingungen distributiver Gerechtigkeitzumin-
dest so beschaffen sein, da die freien Mrkte [] in politische und juristische
Institutionen eingebettet werden, die den wirtschaftlichen Gesamtablauf regeln
und die gesellschaftlichen Verhltnisse aufrechterhalten, die fr faire Chancen-
gleichheit notwendig sind.
Zu diesen Eingangsbedingungen an der konomischen Basis des nach auen
(external) adaptive system (Parsons), also der Wirtschaft der Gesellschaft
gehrt aber auch deren Naturbasis (Marx), insbesondere der menschliche
Organismus. Die (wie bei Hegel) weder gerechte noch ungerechte, aber aus der
Fr diese treffende Kritik vgl. Kelsen (1967).
Rawls (2003), 210 ff.
Ebd., 206, 211, 214.
Ders. (1971), 86.
Ebd., 93.
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Perspektive immer schon sozialisierter Akteure willkrlicheund deshalb (anders
als in Hegels brgerlichem Denkhorizont) gerechtigkeitsrelevante Lotterie der
Natur mu kompensatorisch ausgeglichen werden. Gerecht oder ungerecht
ist die Art, wie sich die Institutionen angesichts dieser Tatsache verhalten.Die basic structure der Gesellschaft bernimmt die Willkr der Natur. Doch
die Menschen mssen sich diesen Zufllen nicht [] unterwerfen. Das Gesell-
schaftssystem ist keine fr Menschen unvernderliche Ordnung, sondern ein
menschliches Handlungsmuster.Deshalb darf, wer von der Natur begnstigt
ist, sei es, wer es wolle, [] sich der Frchte nur soweit erfreuen, wie das auch die
Lage der Benachteiligten verbessert.
Die Kritik an den ungleichen und ungerechten Erzeugungsbedingungen des
Reichtums trifft aber nicht nur den Laissez-faire-Kapitalismus, sondern auch
den in jngster Zeit gern verklrten wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus (New
Deal, Rheinischer Kapitalismus, Beveridge-System, Folkhemmet), der den Reich-
tum gerechter verteilt, zumindest unten mehr brig lt, aber die Demokratie
technokratisch aushhlt, was dann in Motivationskrisen, Struktur- und Legiti-
mationsproblemen manifest wird.Die technokratische berformung der demo-
kratischen Institutionen hat dazu gefhrt, da affirmative action white und
mnnlich bestimmt blieb, trotz entgegenstehendem, inklusivem Wahlrecht.
Der wohlfahrtsstaatliche Kapitalismus ist ein exemplarischer Fall des strukturel-
len Unrechts rein ergebnisorientierter Verteilungsgerechtigkeit. An den Eingangs-bedingungen der Produktion sind nmlich Macht und Ohnmacht, Selbstbestim-
mung und Fremdbestimmung hchst ungleich verteilt, gestattet er doch ein
immer noch sehr hohes Ma an Ungleichheiten hinsichtlich des Besitzes von
realem Eigentum (Produktionsmittel und natrliche Ressourcen), so da vor
allem an der Eingangsseite des Systems die Steuerung der Wirtschaft und ein
groer Teil des politischen Lebens in wenigen Hnden liegen.hnliches gilt,
massiv verschrft, vom sowjetischen System des brokratischen Sozialismusmit
seiner nicht Marx, sondern dem Zarismus entlehnten Planwirtschaft.
Zu einer anspruchsvollen Gerechtigkeitstheorie demokratischer Gleich-
heitpassen am besten vergesellschaftete Produktionsmittel, also der liberale
Ebd., 94, 121 ff.
Ebd., 123.
Ebd., 122.
Offe (1972); Habermas (1967), vor allem der Titelaufsatz; ders. (1973); vgl. auch Marcuse
(1964); spezifischer: ders. (1970).
Katznelson (2005).
Rawls (2003), 214215.
Ebd., 215.
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oder demokratische Sozialismus.Zwar wre, Rawls zufolge, die demokrati-
sche Gleichheit auch nach Rousseauschem Muster mit einer Form des Pri-
vateigentums an Produktionsmitteln vertrglich, die jede Form der Ausbeutung
lebendiger Arbeit durch private Kapitalakkumulation verbietet, sofern diese demNaturgesetz der brgerlichen Gesellschaft folgt, da der Anteil des Kapitals,
der Profit [] in demselben Verhltnis [steigt], worin der Anteil der Arbeit, der
Taglohn, fllt.Das Modell, soweit hatte Rousseau recht, hat wahrscheinlich
hunderttausende von Jahren in einfachen, segmentren Gesellschaften funk-
tioniert. Aber, einmal abgesehen davon, da es kaum mit modernen Begriffen
individueller und gemeinschaftlicher Selbstbestimmung, geschweige denn mit
den dazu erforderlichen, posttraditionalen und individualisierenden Sozialisati-
onsbedingungen kompatibel sein drfte: Es ist schlicht unterkomplex und in der
funktional differenzierten Weltgesellschaft nur in Kleingruppen und einfachen
Interaktionssystemen anwendbar, nicht aber in komplexen Organisationen und
Funktionssystemen.
So bleibt nur ein demokratischer Sozialismus, der die Eigenlogik des Wirt-
schaftssystems und den technischen Informationsmechanismus freier Mrkte,
zumindest freier Konsumgtermrkte, nicht strt. In einem solchen System, dem
gut funktionierende Modelle betrieblicher Mitbestimmung bereits nahe kommen,
gehren die Produktionsmittel der Gesellschaft, whrend Betriebsleitung und
Management beispielsweise von der jeweiligen Belegschaft gewhlt [werden],wenn sie nicht direkt in deren Hnden liegen.Ganz so wie heute schon das
(einklagbare) Grundrecht auf Eigentum in Lndern wie der Bundesrepublik
durch den Gesetzgeber so ausgestaltet ist, da nurein Kernbereich persnlichen
Eigentums grundrechtlich geschtzt ist, nicht aber das Privateigentum an Produk-
tionsmitteln, ist Rawls wichtigste Voraussetzung, die grundrechtliche Trennung
dieser beiden Eigentumsformen, schon lange keine Utopie mehr.Vom starken
Grundrechtsschutz ausgenommen und damit jederzeit vergesellschaftbar wren
insbesondere das Privateigentum an natrlichen Ressourcen und Produkti-
onsmitteln, einschlielich des Rechts auf Erwerb und Vererbung. Rawls hat
sicher recht, wenn er sagt, da der demokratische Sozialismus, der mit einer
nicht mehr kapitalistischen, wohl aber nach wie vor funktional differenzierten
und deshalb leistungsfhigen Wirtschaftsordnung vertrglich ist, nicht an der
Ebd., 212.
Marx (1973), 414; Rawls (2003), 216217.
Ebd., 215.
Ebd., 180, 216. Zur Bundesrepublik: Denninger (1984), 817.
Rawls (2003), 180.
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Privateigentum, Verdinglichungskritik und Vergesellschaftung 503
utopischen berspanntheit der Idee, sondern daran gescheitert ist, da die Idee
der von Arbeitern geleiteten Firmen in der kapitalistischen Klassengesellschaft
bislang keine faire Chance gehabt [hat]. Ihr stehen vor allem mchtige Klas-
seninteressen entgegen. Aber auch wenn wir, solange keine effektiven funktiona-len quivalente existieren, mit den Systemimperativen einer ausdifferenzierten
Weltwirtschaft leben mssen: Die von ihnen profitierenden Interessen der heute
transnational herrschenden Klassen sind kein Systemimperativ.
(2) Zumindest rechtlich stehen im nationalen und internationalen Verfas-
sungsrecht einem bergang vom technokratischen Wohlfahrtsstaat zum demo-
kratischen Sozialismus keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegen. So bindet
sich beispielsweise der Gesetzgeber des Grundgesetzes (Art. 20 (2), Art. 146) an
die Verwirklichung der in Art. 3 (1) (Gleichheit vor dem Gesetz) in Verbindung
mit Art. 20 (1) (sozialer [] Staat), Art. 23 (1) (Bindung der bertragung von
Hoheitsrechten an soziale Grundstze) und Art. 28 (1) (sozialer Rechtsstaat)
festgelegten Sozialstaatsprinzipien. Das Grundgesetz schreibt ausdrcklich
vor, da alles, auch die konomische Ordnung zum Thema der Politik, also
der parlamentarischen Gesetzgebung werden kann: Ein absoluter, feststehen-
der, sozusagen von der Logik des Rechtsstaats geforderter Inhalt des Eigentums
[] existiert nicht. Das Eigentumsrecht ist nach Magabe des Grundgesetzes
ausdrcklich fr gesetzgeberische Fortentwicklungen offenzuhalten. Auch
in den Vereinigten Staaten ist die Rechtslage seit dem New Deal trotz einerSerie gegenlufiger Supreme-Court-Urteile aus der jngsten Zeit (Citizens United,
Campaign Finance, Health Care, Religious Rights of Corporations) hnlich.
Charakteristisch ist die berhmte Second-Bill-of-Rights-Rede Franklin D. Roose-
velts vom 11. Januar 1944, in der neben einer langen Liste sozialer Rechte zwar
die Habeas-corpus-Rechte und die politischen Freiheitsrechte der Verfassung
erwhnt werden, das Recht auf Eigentum aber gar nicht mehr. Statt der auf Locke
zurckgreifenden Garantie von property in der Verfassung von 1788 erwhnt
Roosevelt lediglich das auf Vattel und Leibniz zurckgehende Recht auf pursuit
of happiness, das Roosevelt jedoch zu equal pursuit of happiness verstrkt.
Damit wren wir bei der entscheidenden Frage egalitrer Erzeugungsbe-
dingungen politischer Herrschaft. Nur wenn diese selbstbestimmt sind, also der
Vgl. Abendroth (1968). Abendroths Grundgesetzinterpretation war in den 1950er Jahren noch
ein einsamer Ruf in der Wste deutschen Staatsrechts, ist aber lngst herrschende Meinung, vgl.
Mllers (2000), 141.
Denninger (1984), 815, 839 ff.
Second Bill of Rights, zit. n. http://en.wikipedia.org/wiki/Second_Bill_of_Rights#.E2.80.9C
The_Economic_Bill_of_Rights.E2.80.9D. (Zugriff am 5. Juli 2012).
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egalitren Herrschaft Beherrschter entspringen, lassen sich alternative Ideen
wirtschaftlicher Organisation und sozialer Differenzierung so diskutieren und
entscheiden, da sie jedem und jeder Gesetzesunterworfenen in ihren beson-
deren Lebensumstnden gerecht werden. Nur so, durch radikale Demokratie,knnte gewhrleistet werden, da die (durchaus sekundre) Ergebnisgerechtig-
keit, wenn sie denn berhaupt zustande kommt, nicht mehr durch ungleiche und
ungerechte Ermglichungs- und Eingangsbedingungen politischer Herrschaft
zunichte gemacht wird. Hier kehrt das alte Problem derpermanent konstituieren-
den Legislativgewaltwieder, die imstande sein mte, die sozialen, politischen,
kulturellen und konomischen Bedingungen ihrer Ausbung selbst zu erzeu-
gen.
Zwar sind die rechtlichen Voraussetzungen parlamentarisch organisierter,
demokratischer Selbstbestimmung noch vorhanden, aber durch die dreiigjh-
rige Weltherrschaft der neoliberalen Episteme und die Verkehrung der Abhn-
gigkeitsverhltnisse zwischen Weltmarkt und national fragmentierter Staaten-
welt zugunsten von Mrkten und Investoren ist die Demokratie berall unter
Druck geraten und mehr und mehr auf den Status nominellen Verfassungsrechts
zurckgefallen.
Mit derfaktischenWiederkehr der sozialen Differenzierungsverhltnisse des
spten 19. Jahrhunderts der Aufschwung der U-Kurve seit den 1980er Jahren
(siehe oben, Abschnitt 1) gert die Rechtsordnung erneut in die Lage, zurunbersteigbaren Schrankeder inhaltlichen Gestaltung des Eigentums- und Ver-
mgensrechts zu werden.
Im ffentlichen Diskurs hat sich nach dreiig Jahren Staats- und Steuerbas-
hing und der gleichzeitig gewachsenen Akzeptanz und Autoritt von nationalen
und transnationalen, von parlamentarischer Gesetzesbindung weitgehend ent-
koppelten Gerichten und Hchstgerichten, die zu solcher Faktizitt passende
Ideologieerneut durchgesetzt, Freiheit sei einzig und allein Privatautonomie und
die immer noch demokratische Gesetzgebung nichts als Fremdherrschaft. Der
alte, liberale Dualismus von subjektivem Freiheits- und objektivem Zwangsrecht
scheint erneut das ffentliche Rechtsbewutsein zu bestimmen, und nicht nur
bei den von der Weltbank oder aus der DDR ausgeliehenen Bundesprsidenten
oder in der bayrischen Provinz zwischen Prantl und Hoene. Wer dreiig Mil-
lionen Euro Steuern hinterzieht, kann, unter dem ffentlich goutierten Beifall
seiner Kumpane, die sich nur wenige Tage zuvor mit zwei Rolex-Uhren am selben
Arm vom Zoll erwischen lieen, als aufrechter Freiheitskmpfer in den Knast
Dazu jngst: Niesen (2014).
Zum Begriff der nominellen Verfassung vgl. die Fallstudie: Neves (1992).
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Privateigentum, Verdinglichungskritik und Vergesellschaftung 505
gehen, weil hinter ihm die wiedererweckte Ideologie steht, sein Eigentumsrecht
entwchse seiner rein individuellen Beziehung zu einer Sache, selbst wenn die
Sache ontologisch flchtiges Geld ist, das niemals gedruckt wird, niemals zuhan-
den ist. Hoene denkt wie der brgerliche Rechtstheoretiker in Kelsens tref-fender Beschreibung: Erst entstehen subjektive Rechte (und zwar im Wege der
ursprnglichen Aneignung [z. B. zweier Rolex-Uhren]), und erst spter kommt das
objektive Recht als staatliche Ordnung schtzend, anerkennend, gewhrleistend
zu dem unabhngig von ihm entstandenen subjektiven Rechte hinzu.Wenn
diese Ordnung den Besitzenden nicht mehr schtzen kann und ihm mit der Steu-
erfahndung oder der Zoll auf den Pelz rckt, ist der scheidende und kommende
Prsident des Fuballvereins eben wieder, wie bei Hobbes, im Naturzustand, und
die ganze Geschichte des possessiven Individualismus kann von vorn beginnen,
mit dem Rolex-Uhrentrger subjektiver Rechte als Bewhrungshelfer: Ich
hab einen Fehler gemacht. [] Das Gericht hat seinen Job gemacht []. Wenn ich
zurck bin, werd ich mich noch nicht zur Ruhe setzen. Das wars noch nicht.
Kelsen hat diese Ideologie, als sie noch festes Recht war, vernichtend kri-
tisiert. Das sogenannte Privatrecht ist bestenfalls Autonomie in einem sehr
beschrnkten und uneigentlichen Sinn, kann sich doch niemand selbst Rechte
einrumen,denn das knnen erstens nur mindestens zwei mit Habermas
horizontal vergesellschaftete Personen wechselseitig tun, und einen gl-
tigen Vertrag knnen sie, zweitens, nur schlieen, wenn die objektivrechtlichenVoraussetzungen erfllt sind. Die ideologische Funktion dieser ganzen []
Begriffsbestimmung des Rechtssubjekts [] ist leicht einzusehen: Es gilt, die
Vorstellung aufrechtzuerhalten, da die Existenz [] des Privateigentums eine
gegenber dem objektiven, und zwar positiven, durch Menschen geschaffenen
und abnderbaren Rechts transzendente Kategorie sei, eine Institution Geh-
lenschen Zuschnitts, an der die inhaltliche Gestaltung der Rechtsordnung eine
unbersteigbare Schranke findet. Der Begriff eines objektivrechtlich unabn-
derlichen subjektiven Rechts wird als Ideologieumso wichtiger, je deutlicher
die Rechtsordnung, die die Institution des Privateigentums gewhrleistet, als
eine wandelbare und sich stetig wandelnde, durch menschliche Willkr geschaf-
fene und nicht auf dem ewigen Willen der Gottheit, auf der Vernunft oder auf der
Dazu Herzog (2014).
Kelsen (1967), 105.
So der Rolex-Uhrentrger ber sich im deutschen Fernsehen.
Althoff/Verhoff (2014).
Kelsen (1960), 174.
Habermas (1992), 306.
Kelsen (1960), 175.
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Natur ruhende Ordnung erkannt wird: zumal dann, wenn die Erzeugung dieser
Ordnung in einem demokratischen Verfahren vor sich geht.
Diesen Text hat Kelsen 1934 publiziert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat
sich, in mehreren Schben, parlamentarisch organisierte, egalitre und zuneh-mend inklusive Massendemokratie durchgesetzt und gleich damit angefangen,
den privilegierten Schutz der Institution des Privateigentums aufzuheben. Das
fhrte historisch zur Formation des technokratisch berformten, demokratisch-
kapitalistischen Wahlfahrtstaats. In den 1960er Jahren begann eine umfassende
Reform seiner Institutionen, die auf die alternative Formation eines demokrati-
schen Sozialismus, der sich an der Gleichheit der besonderen Lebensumstnde
orientierte, programmiert war. Die z. T. (etwa in der Brgerrechtsgesetzgebung
der Vereinigten Staaten) sehr erfolgreichen Reformen waren nicht, wie die libe-
rale Ideologie oft insinuiert, das Werk der Gerichte, sondern, wie die vorherge-
henden, radikalen Sozialreformen, das Werk parlamentarischer Gesetzgebung,
die vonDiskussionen und Pflastersteinen, vom ffentlichen Streit und vom organi-
sierten Kampf um umfassende Inklusionangetrieben wurde.
Doch die Reformen scheiterten in den spten 1970er Jahren am anhaltenden
Widerstand der herrschenden Klassen, die durch den Wohlfahrtsstaat ja nicht
schwcher, sondern strker geworden waren und dankbar auf die selektiv erfolg-
reiche Ideologie des Neoliberalismus zurckgriffen, die in einer sehr aktiven,
evolutionren Nische die Unbill wachsender Gleichheit und sinkender Profiteberlebt und nur auf die Gelegenheit gewartet hatte, Struktur- und Legitimati-
onsprobleme, die in den 1970er Jahren eintraten, zu nutzen, um die verlorene
kulturelle Hegemonie des Liberalismus mit einer am Mont Plerin mutierten For-
mation zurckzuerobern.
Aber anders als in der groen Zeit des ersten Gipfels der U-Kurve kam zwar
dieIdeologie, nicht aber dasfeste liberale Rechtunabnderlich subjektiver Rechte
zurck. Die Rechts-und Verfassungsordnung blieb more or lessund trotz Hartz
IV etc. auf demokratischen Sozialismus programmiert. Aber sie wurde in einen
komatsen Schlaf zurckversetzt und im faktischen Rechtsvollzug durch eine,
nicht auf gerades Recht, sondern auf Effektivitt programmierte, flexible und
elastische (Carl Schmitt), konkrete Ordnung technisch-instrumenteller Rechts-
regimes, das managerial mindset(Martti Koskenniemi) ersetzt. Unter der neuen
Fahne der Governance erzeugt sie Legitimitt ohne Legalitt, baut Rettungs-
schirme und Sicherheitsregimes, Sonderwirtschafts- und Sonderfolterzonen,
alles im Dienst des schon weit fortgeschrittenen Projekts, Nationen, transna-
Ebd.
Vgl. Wright (2014); siehe auch Katznelson (2014).
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Privateigentum, Verdinglichungskritik und Vergesellschaftung 507
tionale Fderationen und Weltorganisationen, berhaupt alles, vor allem die
Universitten, in Firmen zu verwandeln. Wenn die Theorie, da Gesellschaften
sich nicht ohne intrinsisch ernsthaften (und nicht nur instrumentell verspielten)
Bezug auf (nachidealistische) Wahrheit, Vernunft und egalitre Freiheit reprodu-zieren knnen, richtig ist, kann das nicht gut gehen. Das in Tiefschlaf versetzte
Recht knnte, in den Wachzustand zurckversetzt, zurckschlagen. Dann aber
scheint es nur noch zwei Alternativen zu geben, die ethnisch-rassistische Regres-
sion unter das Niveau nationaler Solidaritt oder die Transnationalisierung des
demokratischen Sozialismus.
LiteraturAbendroth, W. (1968), Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaats im
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Forsthoff, E. (Hg.), Rechtsstaatlichkeit
und Sozialstaatlichkeit, Darmstadt, 114144.
Adorno, T. W. (2003), Negative Dialektik, in: ders., Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit
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