Post on 30-Jan-2016
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Außenhandelstheoretische Erklärungen für Unterentwicklung I
Guido Böggering Bernd Müller
14.01.04
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Theorie der komparativen Kostenvorteile
• Begründer: David Ricardo (1772-1823)
• Kernaussage:
– komparative Kostenvorteile sind hinreichende Bedingung für Außenhandel
• Meilenstein der Außenhandelstheorie
– Erweiterung der Smith´schen Außenwirtschaftstheorie
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Absolute Kostenvorteile (Smith):
0 0
Inland Ausland
x1
y y*
x1*
A
B
x x*
y1
y1*I1 I1*
T
T*
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
B
0
0x*
x
y
y*
x1
y1
TauschboxI1
I1*
A
T
T*
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Inland
Ausland
TP
I2*
I2
x2*
x2
y2
x1*
y1*
y2*
Komparative Kostenvorteile (Ricardo):
0 0
Inland Ausland
x1
y y*
x1*
A
B
x x*
y1
y1*
T*
T
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
A
B
0
0x*
x
y*
yx1*
y1*
x1
y1
Tauschbox
T*
T
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Inland
Ausland
Zusammenfassung:
• Außenhandelsgewinne auch bei komparativen Kostenvorteilen
• vollständige Spezialisierung in beiden Ländern
• Handelsergebnis wird durch Nachfragepräferenzen entschieden (im vorigen Modell nicht explizit betrachtet)
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Anwendbarkeit auf Entwicklungsländer:
• Modell ist global gültig!
Entwicklungsländer können trotz Produktionsnachteilen Außenhandelsgewinne einfahren
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Faktorproportionentheorem (Heckscher-Ohlin)
• Begründer: Eli Heckscher (1879-1952) und Bertil Ohlin (1899-1979)
• Kernaussage:
– unterschiedliche Faktorausstattungen begründen Außenhandel
• Neoklassische Erweiterung der klassischen Außenhandelstheorie
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Modellannahmen:
• 2 Länder: Inland (IL) und Ausland (EL)• 2 Güter: x und y• 2 Produktionsfaktoren: Arbeit und Kapital
• beide Länder verfügen über das gleiche technische Wissen identische Produktionsfunktionen
• Inland (IL) reich mit Faktor Kapital ausgestattet• Ausland (EL) reich mit Faktor Arbeit ausgestattet• x wird in beiden Ländern mit hoher Arbeitsintensität produziert• y wird in beiden Ländern mit hoher Kapitalintensität produziert• es herrschen vollkommene Märkte • identische Nachfragepräferenzen in beiden Ländern
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Inland Ausland
0 0x x*
y y*
x1
y1
x1*
y1*B
A
y
x
P
P
tan
tan
T
T*
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
x0
y
xprod
yprod
xprod*
yprod*
A2
B2
TPTP*
yexp
yimp*
ximp
xexp*
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
ykons
xkons* xkons
ykons*
Zusammenfassung:
• Unterschiedliche Faktorausstattung begründet Außenhandel
• Außenhandelsgewinne für beide Länder
• Preisverhältnisse gleichen sich an (nicht zwingend die Preise absolut)
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Anwendbarkeit auf Entwicklungsländer:
• Unterschiedliche Faktorausstattung:
– IL: Kapital oder hochqualifizierte Arbeit
– EL: Arbeit oder niedrigqualifizierter Arbeit
Heckscher-Ohlin-Theorem eignet sich besonders gut zur Erklärung von Handel zwischen EL und IL
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Dynamische Außenhandelsgewinne
Standard Ricardo-Modell → Handel lässt komparative Vorteile über lange Zeit unverändert
Wichtigster Vorteil von Handel für Entwicklungsländer sind nicht statische Gewinne
→ sondern dynamischen Gewinne aus wechselnden Faktor-Verhältnissen
wechselnde komparative Vorteile
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Y
X0
Transformationskurve
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Verschiebung der Transformationskurve bedingt durch Importe von
• Konsumgütern
• Investitionsgütern
• Ideen und Wissen
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Import von neuen Konsumgütern
→ Geschmäcker und Vorlieben ändern sich
→ erweiterte Bedürfnisse
→ statische Gewinne erhöhen inländische Zahlungskraft
Nachfrage steigt
Anreiz für Unternehmen zur Ausweitung der Produktion
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Import von Investitionsgütern
→ statische Gewinne werden investiert
→ höhere Investitionstätigkeit
• verbessert die Infrastruktur von Transportwesen, Energie, Gesundheit und Ausbildung
• Kapitalintensivere Güter können produziert werden
• steigende Produktivität
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Import von Ideen und Wissen
→ interpretierbar als ökonomische Güter
→ spillovers (positive externe Effekte auf andere Sektoren)
in späteren Entwicklungsstufen:
→ Quelle komparativer Vorteile
Technischer Fortschritt
• Verfahrens-Fortschritte
• Produkt-Fortschritte
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Verschiebung Komparativer Vorteile
• Produktlebenszyklus-Theorie
(1) Innovationsphase
(2) Ausreifungsphase
(3) Standardisierungsphase
(4) Absterbephase
• erforderlicher Faktoreinsatz ändert sich im Zyklus
→ komparativer Vorteil geht auf EL über
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Ausweitung Komparativer Vorteile
Etablierung → durch Erfahrungen
Erfahrungen → Kostensenkungen
neue komparative Vorteile
→ bisherige Importgüter können im Land hergestellt werden
→ neue Exporte außerhalb des Primärgüter-Bereichs
Außenhandel ist entwicklungsfördernd!
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Theorien des Ungleichen Tausches
• Begründer: Arghiri Emmanuel (1911-2001)
• Kernaussage:
– Außenhandel ist Ursache für Unterentwicklung
– Außenhandel führt zu Handelsdefiziten bei den EL
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Emmanuel´s Argumentation:
• Internationale Kapitalbewegungen von den IL zu den EL
EL: Kapitalangebot steigt und die Profitraten sinken
IL: Kapitalangebot sinkt und die Profitraten steigen
durch die niedrigeren Profitraten fallen auch die Preise in den EL und umgekehrt in den IL
Die Preisspanne zwischen IL und EL wird größer
EL müssen mehr ihrer „billigeren“ Güter gegen weniger der „teureren“ Güter aus den IL eintauschen (Verschlechterung der Terms of Trade)
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Theorie der dominierenden Wirtschaft
Ausgangspunkt: Gleichgewichtsvorstellung für Außenhandelsbeziehung zwischen IL und EL nicht adäquat.
Im Gegensatz dazu ist die Beziehung zwischen IL und EL:
• asymmetrisch
• z.T. irreversibel
zuungunsten der Entwicklungsländer.
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Für eine sachgerechte Analyse der Beziehung zwischen IL und EL sind nach Perroux Begriffe zu verwenden wie
• Macht• Herrschaft• Zwang
Gründe des Dominationseffektes der IL gegenüber den EL sind
• unterschiedliche Verhandlungsstärken• unterschiedliche Größen
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Industrie-, Agrar- und Rohstoffproduktion in der Weltwirtschaft → dominierende Wirtschaften gestalten Verteilung
• IL → Großteil der Produktion mit hohem Wertschöpfungsanteil von Kapital und Arbeit
• EL → Zulieferung von Rohstoffen und Agrarprodukten
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Moderne Imperialismustheorien
a) Handelskapitalismus
Kernstück: Lehre vom „ungleichen Tausch“.
→ Bei gleichem Produktivitätsniveau werden Produkte der EL aufgrund geringerer Entlohnung des Faktors Arbeit
unterbewertet und gegen überbewertete Produkte der IL getauscht.
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Annahmen:
• Mehrwertraten in unterschiedlichen Ländern verschieden
→ kein Ausgleich durch Wettbewerb
→ unabhängig von den relativen Preisen
Faktor Arbeit international immobil
• Faktor Kapital international mobil
Profitraten international gleich
„Tausch“ einer größeren Menge Arbeit der EL gegen eine kleinere Menge Arbeit der IL
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
3417126,3%36090302402*
3797926,3%36060602401*
72015026,3%720150904801+2
3609033,3%36090302402 (EL)
3606020,0%36060602401 (IL)
Produk-tionspreis
ProfitProfitrate ()
Wert (W)mvcLand
Beispiel:
c = konstantes Kapital (gemessen in zur Produktion erforderlichen Arbeitsstunden)
v = variable Kosten (Lohnsatz, entspricht existenzminimaler Konsumgütermenge)
m = Mehrwert bzw. Arbeitszeit, die über das Äquivalent der Reproduktion der Arbeitskraft hinausgeht
W = gesamte Wertschöpfung (ergibt sich aus c + v + m)
= m/(c+v) (Profitrate)
P = [c+v]*(1+) (Preisgleichung)
c/(v+m) = technische Wertzusammensetzung des Kapitals
m/v = Mehrwertrate
c/v = organische Zusammensetzung des Kapitals
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
b) Transnationaler Imperialismus
Angeprangert werden Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen (FDI):
• Gewinntransfer der in EL geschaffenen Wertschöpfung
• Zementierung der internationalen Arbeitsteilung nach den Interessen der IL
• Verstärkung der Ungleichheit innerhalb der EL
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Argumentationskette:
Importsubstitutionspolitik begünstigt die Niederlassung ausländischer Unternehmen
Ausländische Tochterfirmen beeinflussen nationales Einkommen durch Gewinntransfer negativ (Dekapitalisierung)
Geringere Akkumulationsmöglichkeiten
Steigerung der Arbeitsproduktivität behindert
Einkommenserhöhungen in den EL erschwert
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Transnationale Unternehmen initiieren Übernahme von ausländischen Konsummustern
→ Produktion westlicher Industriegüter benötigt i.d.R. kapitalintensive Verfahren
→ Devisenbedarf wird erhöht, Notwendigkeit einer erneuten Kreditaufnahme im Ausland steigt
→ Zinszahlungen begünstigen weiter Werttransfer ins Ausland
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
→ Gunnar Myrdal
Enklaven fremdstaatliches Gebiet auf eigenem Staatsgebiet
Hier: Exportindustrien mit Enklavencharakter
Charakteristika:
• „isoliert“ vom Rest der Volkswirtschaft
• kaum wirtschaftliche Interaktion
Enklaven Argumente
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Kernaussagen:
→ Internationaler Handel verantwortlich für Enklaven
→ keine stimulierende Wirkung von Exporten auf Entwicklung aufgrund von
• niedrigen Multiplikatoreffekten
• wenig „dynamischer Ausstrahlung“ von internationalem Handel
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Entwicklungsland Industrieland
Enklave
Industrielle Ausstattung
Konsumgüter
Transportleistungen
Management
Arbeit
GewinneSubsistenzlöhne
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Theorie des Verelendungswachstum
• Begründer: Jagdish Bhagwati (* 1934)
• Kernaussage:
– Wachstumsprozess führt zu Wohlfahrtseinbußen
• Modellrahmen:
– traditionelles Außenhandelsmodell (à la Heckscher-Ohlin)
– ein „großes“ Land (in Hinblick auf dessen Exportgut „x“)
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
x
y
0
I1
I2
x1x2
y2
y1
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
y
x
P
P
tan
tan
Zusammenfassung:
• Wohlfahrtseinbußen aufgrund eines Wachstumsprozesses
• schlechtere Güterausstattung nach Außenhandel
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Prebisch-Singer-These
• Begründer: Raul Prebisch (1901-1986)Hans Singer (* 1910)
• Kernaussage:– fortwährende Verschlechterung der Terms of Trade der EL
• Begründung über die Unterscheidung von Zentrum und Peripherie– Zentrum = hochindustrialisierte Länder
(exportieren vornehmlich Industriegüter)– Peripherie = Entwicklungsländer (exportieren
vornehmlich Rohstoffe)
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Exkurs: Terms of Trade (ToT)
• Hohe ToT weniger Exportgüter zum Ausgleich der „billigeren“
Importgüter notwendig tendenziell gute Außenhandelsbedingungen
• Niedrige ToT mehr Exportgüter zum Ausgleich der „teureren“
Importgüter notwendig tendenziell schlechte Außenhandelsbedingungen
im
ex
p
pToT
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
I. Unterschiedliche Produktionsstrukturen
• Peripherie: sehr heterogene Sektoren mit sektorspezifischen Produktionsfaktoren
• Annahme: technischer Fortschritt im Exportsektor der P.
exportierbare Gütermenge nimmt c.p. zu, aber freigewordene Arbeitskräfte können nicht in anderen Sektoren
unterkommen Arbeitslosigkeit Nachfragerückgang aufgrund geschrumpfter Zahlungskraft Preisverfall
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
II. Unterschiedliche Preiselastizitäten der Nachfrage
• PE der Nachfrage der EL nach Gütern der IL ist sehr hoch
• PE der Nachfrage der IL nach Gütern der EL ist eher gering
Zentrum Peripheriep
Importgüter aus EL Importgüter aus IL
p
A1
A2A2
A1
EL erhalten nur Teile der „Früchte des technischen Fortschritts“
N
N
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
III. Unterschiedliche Marktbedingungen
• Peripherie: Konkurrenzpreise Preissenkungen werden vollständig an Verbraucher in IL
weitergegeben
• Zentrum: Marktunvollkommenheiten Produktivitätsfortschritte können in Form von höheren
Einkommen internalisiert werden (Preiserhöhungsspielräume)
EL erhalten Konkurrenzpreise für ihre Güter, müssen aber monopolistisch erhöhte Preise für IL-Güter zahlen
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
IV. Unterschiedliche Einkommenselastizitäten
• Einkommenselastizität in IL geringer als in EL
Nachfrage der IL nach Rohstoffen steigt langsamer als Nachfrage der EL nach Industriegütern
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Ergebnis aus I. - IV.:
• Zusammenführen der genannten Effekte: I.) Arbeitslosigkeit
Nachfragerückgang wegen verminderter Kaufkraft II.) ungleiche Verteilung der „Früchte des techn.
Fortschritts“ geringere Konsumenten- und Produzentenrenten
III.) Marktpreise in EL vs. Monopolpreise in IL prinzipiell niedrigere Preise in EL
IV.) schwächere Entwicklung der Nachfrage nach EL-Gütern
verlangsamter Preisanstieg in EL
die Terms of Trade der EL verschlechtern sich auf lange Sicht
Außenhandel ist entwicklungsfeindlich!
Resümee:
• Ricardo
• Heckscher-Ohlin
• Dynamische Außenhandelsgewinne
• Theorie des Ungleichen Tausches
- Emmanuel
- Theorie der Dominierenden Wirtschaft
- Moderne Imperialismustheorie
• Enklaven Argumente
• Theorie des Verelendungswachstums
• Prebisch-Singer-These (Terms-of-Trade Argumente)
entwicklungsfördernd entwicklungsfeindlich
Was nun?
Resümee:
• Ricardo
• Heckscher-Ohlin
• Dynamische Außenhandelsgewinne
• Theorie des Ungleichen Tausches
- Emmanuel
- Theorie der Dominierenden Wirtschaft
- Moderne Imperialismustheorie
• Enklaven Argumente
• Theorie des Verelendungswachstums
• Prebisch-Singer-These (Terms-of-Trade Argumente)
entwicklungsfördernd entwicklungsfeindlich
• zu restriktive Annahmen bei Ricardo und Heckscher-Ohlin?
• Emmanuels Argumentation:
– steigendes Kapitalangebot sinkende Profitraten?
– sinkende Profitraten sinkende Preise?
• Dominierende Wirtschaft:
– zentrale Analysebegriffe: Macht, Herrschaft, Zwang?
• Enklaven:
– Existenz der Enklaven durch Außenhandel bedingt?
– Wie sähe es denn ohne Außenhandel aus?
• Verelendungswachstum:
– Theorie realistisch?
x
y
0
I1
I2
x1x2
y2
y1
• Terms of Trade-Argumente:– unterschiedliche Produktionsstrukturen?– unterschiedliche Elastizitäten? – unterschiedliche Marktbedingungen?
Ergebnis:
• Außenhandel kann nicht direkte Ursache für Unterentwicklung sein (siehe traditionellen Außenhandelstheorien)
• allerdings:
– unvollkommene Märkte können Handelsergebnis massiv zu ungunsten der EL manipulieren
geeignete Institutionen zur Herstellung von „echtem“ Wettbewerb könnten helfen