Post on 23-May-2020
f 1'"tr:jfi r,iillii:ri I 5ch icksa I M u lti p e S kl e rose
Trotz bes<hwerlichem [ebenswegs macht der M5-Patient sich selbst und anderen Menschen unermüdlich lt/lut.
Werner David Wiechenthaler ist 18 Jahre a1t und besuchtdie 4. Klasse Tiefbau der HTL Saalfelden, als er urplötz-lich Probleme mit den Augen bekommt. Seine Sehkraft ver-schlechtert sich drastisch, der Pinzgauer ist beinahe blind.An seinem Geburtstag kommt er ins Krankenhaus, woeine Entzündung des Sehnervs festgestellt wird. Ein typi-sches Anfangssymptom von Multipler Sklerose - doch das
lichen Störung, verheimlicht sie im Freundes- und Bekan:,-tenkreis. ,,Ich habe mich sehr geschämt, wollte leistungsst'1::,
sein wie die anderen und mein Leben leben, so wie es vorh.:war". Mit der Zeit kann er das nicht mehr.,,Erst als ich a-:Rehab Menschen getroffen habe, die ebenfalls unter dies.:Erkrankung ieiden, habe ich mich ihr geste11t. Das war zr.-.:
schlimm und belastend, aber auch ein ganz entscheideni.:Punkt in meinem Leben", res*-miert der Saalfeldner.
VON DER UNI IN DEN RUHE.
STAND.
Werner David Wiechenth'a-.:hat Pech. Er zäh\t zu jenen --'Prozent der Patienten, die an i.:selteneren, primär progredie:--
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ahnt der junge Mann zu diesemZeitpunkt noch nicht. Erst eini-ge Wochen später erhä1t WernerDavid Wiechenthaler, nach einemgründlichen Check, die endgülti-ge Diagnose: MSI Der Pinzgauerist geschockt. ,,Ab diesem Zeit-punkt war mein Leben nicht mehrwie vorher. Plötzlich war da ein
,,\MER SCHWACHE ZEIGEN KANN,ZETGT AUCH STARKE.
DAS HAT MICHMEINtr KRANKHEIT GELEHRT.-
WF],RNER ])AVTD \,V]ECHENTHAI,ER
Schatten, der mich einhüllte", erinnert sich der Saalfeldner.Was er damals über Multiple Sklerose weiß, ist nicht viel:
,,Ich war darüber informiert, dass es sich um eine unheilbareKrankheit handelt, die viele, die darunter leiden, in den Roll-stuhl zwingt, und dass sich das Leiden eher verschlechterta1s verbessert, aber nicht tödlich ist", fasst er zusammen. ZuAnfang verdrängt er das Vorhandensein seiner gesundheit-
60161 platzhirseh
ten Form von MS leiden, bei der es von Beginn an zu eir--=:
kontinuierlichen Verschlechterung kommt. Ständig gese11.
sich neue Beschwerden zu den bereits vorhandenen: Gleic:.-gewichtsprobleme, spastische Beine, Gefühlsverluste in d.-Händen, Blasenprobleme, Konzentrationsschwierigkeit.-oder starke Müdigkeit und Erschöpfung, die ihn - ähnli:.wie bei einem starken grippalen Effekt - lähmen. Dire.":
,,lliemals aufhören ru lemen und Spaß zu haben!" lautet das
lebenrmotto von wemer David Wiechenthaler. Dann häftsich der z7iähdge §aalfaldner trotr der Diagnose ,'itluhipleSklerose", die *ar* an relnen Energien rehrt und lhn ln denRollstuhl zrvang.
nach Beendigung seines Studiums an der
Pädagogischen Hochschule Steiermark, an
der sich der Pinzgauer für seinen Traum-beruf Volksschullehrer ausbilden lässt, muss
er in Pension gehen. Ihm geht es körperlichsehr schlecht. Dazu kommt - unabhängigvon der Grunderkrankung - noch ein Tir-mor in der Schulter, der den Patienten stark
belastet und drei Operationen erforderlichmacht. Glücklicherweisestellt sich das Gewächsaber als gutartig heraus.
Wie sich seine Krank-heit weiter entwickelnwird, kann ihm niemandsagen. Der Verlauf derMultiplen Sklerose, diegerne als ,,Krankheit mit1 000 Gesichtern" be-
,,ALLES HAT SEINENSINN, ALLES WIRD GUT.MAN MUSS VERTRAUEN
INS LEBEN HABEN."WERNER DAVID WIECHENTHALER
Vorteile seines ,,Ferrari", wie er ihn bezeich-net, vor Augen hält. Außerdem versucht der
MS-Patient so oft wie möglich aufzustehen
und ein paar Schritte zu gehen, um den
Bewegungsapparat aktiv zu halten. ,,In den
Rollstuhl zu kommen ist leichter, als wiederheraus. Vielleicht gelingt es mir trotzdem,ihn eines Tages wieder in die Ecke stellen
zu können", hofft der Saalfeldner, der neu-
erlichen Schüben mit einer Mischung aus
einer schulmedizinischen Basistherapie
und alternativen Behandlungen, wie Aku-punktur und Darmspülungen, vorzubeugenversucht.
WERNER DAVID . EIN MOTIVATIONSGENIE.
,,Niemals aufhören zu lernen und Spaß zu
habenl", lautet das Lebensmotto von Wer-ner David Wiechenthaler, der momentan inGrazlebt. Dieses Credo gibt er auch weiter:als Motivationstrainer, der in Firmen undBildungseinrichtungen inspirierende Vor-träge über Lebensmotivation hält, welche
auf eine sinnvolle Lebensgestaltung mitHandicap fokussieren. ,,Ich finde es toll,wenn andere Menschen von meinen Erfah-rungen profitieren, weil sich auf diese Wei-se etvras Negativs plötzlich in etwas Posi-
tives verwandelt",schwärmt er. Ander PädagogischenHochschule Steier-mark bildet WernerDavid Wiechentha-ler zudem regel-
mäßig Lehrer im
,,Beatboxing" aus.
Bei dieser speziellen
zeichnet wird, ist individuell sehr verschie-
den - insbesondere die Art und Schwere
der Symptome und das zeitliche Muster, indem neue Krankheitsbilder auftreten. Diese
Ungewissheit zehrt stark an der Psyche des
Pinzgauers. ,,Als ich in den Ruhestand tre-ten musste, war ich sehr verzweifelt und de-
primiert", gesteht er. Hilfe in dieser schwie-
rigen Situation findet Werner David beimbrasilianischen Heiler ,John of God", den
er mehrmals besucht. ,,Durch ihn konnteich meine geistige Gesundheit stärken undmich trotz wiederkehrender Rückschläge
neu motivieren und an Lebensfreude ge-
winnen", berichtet der Kranke. Der Schat-
ten, der ihn so belastete, ist verschwunden.
Dafür wird die Mobilität immer schlechter,
die Gehstrecke, die er zurücklegen kann,
immer kirzer. Eines Tages wird der Roll-stuhl unausweichlich, was für den 27-Jäh-rigen einer Katastrophe gleichkommt. ,,Ichhabe das rollende Vehikel immer stark ab-
gelehnt", gibt er zu. Aber auch diesmal re-signiert Werner David nicht, sondern fügtsich in sein Schicksal, indem er sich die
Form des A-Capella-Musizierens werden
Percussion-Rhlthmen, aber auch die Lauteanderer Musikinstrumente, mit stimmli-chem Einsatz nachgeahmt - manchmal so-
gar noch kombiniert mit Gesang. Gemein-sam mit dem Pinzgauer Beatboxer ThomasRieder hat er sogar ein Buch für Unterrichtund Selbststudium über dieses Thema ge-
schrieben. Das ein2ige seiner Art weltweitlMusik war immer schon Bestandteil seines
Lebens und ist auch heute ein wichtiges )
flirfl.n*fl*x*tl { Schicksal Mu lti ple Sklerose
Medikament in \Merner David Wiechenthalers Hausapothe-
ke. Früher spielte der leidenschaftliche Bassist in einer Band'
gewann mii de,, ,,Paraminds" 2009 sogar einen Contest in
är^r.,,Dn ist ieider vorbei, die Hände Yersagen mittlerweile
zr oftl Dafür plant er aber ietzt ein Beatboxing-Projekt mit
einem Cellist"r, .rnd einer Tänzerin' Und er schreibt an ei-
nem neuen Buchl Arbeitstitel: ,,Meine Gedanken sind die
Welt".,,Es geht darum, die eigenen Gedanken positiv einzu-
setzen, um lebensmotivierter und erfolgreicher zu sein"' ver-
rät er.
,,ALLES lM TEBEN HAT EINEN SINN!"
Zur (bislang unerforschten) Ursache seiner Krankheit hatWer-
.r.. Du,ridfrlechenthaler seine eigeneTheorie:,,Aus1ösend war
möglicherweise, dass ich mich immer zu sehr gestresst und
miÄ selbst zu wenig wertgeschätzt habe", meint er' "Aber wie
dem auch sei: Ich bi,, üb.r,..,gt, a1les im Leben hat seinen
Sinn. Alles, was uns passiert, führt zu mehr Erkenntnis' lehrt
uns etvsas. Eine Krankheit ist immer ein Zeichen, etwas an
seinem bisherigen Leben zu ändern'"
,,Warum g.äd. ich?", dieser Gedanke ist dem Saalfeld-
ner fremd. ,Jeder Mensch hat gewisse Belastungen zr ttagefl'
ich eben diese", meint er. ,,Andererseits habe ich sehr vieie
Talente, fär die ich dankbar sein kann'" Was hä1t einer wie
er von Menschen, die - ohne erkennbaren Grund - ständig
nörgeln und jammern? ,,Die sind wesentlich ärmer als ich!"'
Wemer David als begeisteiler BatsistderBand Dersaalfeldnerwohnt zur Zeit in
,naramindstt,mitdJrerroogsogareinen Graz'Drei"Asdstentinnen"untet'
äoit"rt in co, g"*rnn. Heute ,jpielen" stilt:l ihn
darin' ein möglichst
seine ianae nicit metrr mit. 3elbstständiges Leben ru führen'
iacht Werner David Wiechenthaler und ergänzt treffend:
,,Gesundheit ist eben nicht nur die Abwesenheit von Krank-
heit!"
EIN MANN UND SEINE TRAUME.
Soziale Kontakte slnd für den Saalfeldner eine besondere
Qr.11. der Freude. Freunde, Studenten und Familie sind
J.n,ig. Lebensbegleiter' ,,Ich bin ein offener, humorvoller'
zielstrebiger M"rrr."h. Mein höchstes Lebensziei liegt darin'
anderen il4.,-rr.h.r. Herzlichkeit mitzugeben", sagt er über
sich. Werner David Wiechenthaler hat unendlich viele Lei-
denschaften: Fortgehen, Konzerte besuchen, Schwimmen'
Yoga, Sprach.r, l.Irrer-r, Lesen, " ' Seine vielen täume iässt
., Ii.h ,richt .rehmen: ,,Ich möchte wieder Berggehen' ich
möchte das ,Meer der sieben Farben im kolumbianischen
San Andrds sehen, zum Toten Meer und nach Las Vegas
reisen, noch mehr Bücher schreiben und Vorträge halten
...", ,ählt er auf' ,,Ein großer Wunsch ist, wieder ais Volks-
schuilehrerzuunterrichten_vielleichtKindermitMigrati-o,rrfrir-r,.rgrund." Und dann ist da auch die Sehnsucht nach
.i.r., .igä.n Familie, nach einem Kind',,Früher dachte ich:
,WelchJ Frau nimmt mich mit einer solchen Erkankung
äenn schon?'Heute bin ich der Meinung, dass es da drau-
ßen eine Menge Frauen gibt, die mich lieben könnten' weil
ich sehr viele plsitive Ei§enschaften habe", lacht der Single'
,,Man kann ,ich alle, schlecht oder gut denken' So ist das im
T,ebenl"
DIE KRANKHEIT FORDERT IHREN RAUM.
Unermüdlich macht Werner David Wiechenthaler sich
selbst und anderen Menschen Mut' Vieles' das ihn das
Schicksal lehrt, schreibt er sich von der Seele' packt es in
Gedichte und Vorträge. Dennoch braucht der 27-Jähtige
zwischendurch dringÄd seine Pausen, in denen er in sich
hineinhört, sich um iich selbst kümmert' Die Krankheit for-
dert ihren Raum. Aber auch wenn die Kräfte wieder einmal
versagen, die Stimmung in den Keller sinkt.und Energielo-
,igk# und Infektanfiliigkeit sich b.reitmachen' gibt es von
\f,rn.. DavidWiech.nÄulet stets die Ztsage ans Leben' so
wie es gerade ist. I
An der Pädagogirchen Hodtdule Steiermark hält der musikbegelstede Wahl'Grazer
Beatboxing-(une ab.
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Text: Silke Burgsteiner I Fotos: platzhirsch, Privat